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Das Kuckucksei

Das Kuckucksei

Titel: Das Kuckucksei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Klimaanlage brachte Waldgeruch mit. Es war, wie der beigegraue Sand auf dem Fußboden, synthetisch und teuer. Dorn staunte darüber, betastete das Fenster und fragte: »Drehen wir uns?« Denn die Szenerie bewegte sich. »Nein«, versetzte Duun scharf. »Hast du denn vergessen, daß die Stadt hinter dieser Wand liegt? Benimm dich! Das gehört dir nicht. Und mir auch nicht. Es ist einfach alles nur hier , mehr nicht. Laß dich nicht davon beeindrucken.«
    »Wem gehört es denn?«
    Duun bedauerte es, das Thema angesprochen zu haben. Und vielleicht argwöhnte Dorn jetzt, daß er von mehr als nur einer Illusion umgeben gewesen war, speziell für ihn aufrechterhalten. Dorns Überschwenglichkeit verebbte, ein Ausdruck des Schmerzes blieb zurück, der fein gezeichnete Ausdruck eines Menschen, dem die Reserven ausgegangen waren. Der tagelange Mangel an Schlaf, das Abführmittel, die Jagd, die Wunden; ein Herz, das während des Helikopterfluges schwerer gearbeitet hatte als die Motoren - so sehr, wie es ein Herz vielleicht für eine Zeitspanne überhaupt nur tun sollte. Duun ging in sein Zimmer, kramte in seinen Sachen und holte ein Beruhigungsmittel hervor, ging dann in die Küche und mischte es in die Milch.
    Die Wohnung war größer als das ganze Haus in Sheon. Sie hatte vier Schlafzimmer, eine Küche, ein Wohnzimmer, ein Speisezimmer, ein Arbeitszimmer, Bad, Übungsraum, Sonnenraum (eine Lüge); sie hatte eine Bibliothek, ein Fernsehzimmer, eine Sauna, einen Ankleideraum, eine Speisekammer, eine Waschküche, ein Bedienstetenquartier, das jedoch leer war, einen Sicherheitsposten, der es nicht war. Aber Dorn wußte nichts von Wachen und Monitoren und dem Gang draußen. Mehrere Zimmer täuschten gut genug Sonnenlicht vor, um Pflanzen darin zu ziehen, wenn man das wollte. Das Bad und das zentrale Schlafzimmer waren von umlaufenden 3-D-Bildschirmen umgeben, die auch als Fenster fungierten. Die Götter wußten, daß die Erbauer dabei nicht nur Naturansichten im Sinn gehabt hatten. Und man konnte schon in Versuchung geraten. Die Stadt bot Ablenkungsmöglichkeiten, Örtlichkeiten, wo ein Mann oder eine Frau hingehen und sich amüsieren konnten. Ein Hatani war stets diskret. Aber selbst ein Hatani konnte sich unzeitige Tröstungen verschaffen, wenn er eine Frau mit Diskretion fand. Duun legte die Ohren zurück. Nur Stunden in dieser Wohnung, und es kam ihm vor, als hätte es die vergangenen sechzehn Jahre nicht gegeben. Abgesehen von der Präsenz dessen, der jetzt von der Seite her zu ihm trat.
    Er drehte sich um und reichte Dorn den Becher. »Das ist für dich. Trink es! Dann leg dich hin!«
    Dorn nahm den Becher. Aber vielleicht war er doch nicht ganz so geruchsblind. Sein Blick wurde wachsam. Und zeigte müde Verwirrung.
    »Ein Beruhigungsmittel«, sagte Duun. »Trink es aus und leg dich hin! Du wirst schlafen.«
    »Duun.« Dorn stellte die Milch auf den Tisch. Sein Gesicht war wieder weiß. Er lehnte sich an die Wand, war gar nicht so stark, wie er tat. Er hatte gehumpelt, als er das Zimmer betrat. »Warst du früher schon mal hier?«
    »Ich habe früher hier gewohnt.« Duun nahm den Milchbecher wieder vom Tisch, packte Doms Hand und brachte beides fest zusammen. »Trink das! Soll ich dich erst überzeugen, Dorn?«
    Dorn trank aus. Stellte den Becher wieder weg.
    »Also hast du herausgefunden, was du noch nicht wußtest«, meinte Duun. »Macht dir die Welt Angst, Dorn? Man muß hier nur die Illusionen aussortieren, das ist alles. Man muß wissen, was wirklich ist und was nicht.«
    »Wirst du bei mir sein?«
    »Haras-hatani. Dorn. Was höre ich da? Ist das ein Bedürfnis?
    Geht es um etwas, das ich habe und du nicht? Was könnte das sein?«
    »Mut.« Dorns Stimme klang heiser und hohl.
    »Höre ich da etwas wie ›ich kann nicht‹?«
    »Nein, Duun-hatani.«
    »Die Meds verlangen nach dir. Sie wollen dich holen und diesen Arm noch einmal auseinandernehmen. Sie wollen dich ihren Apparaten präsentieren, Stücke von deiner Haut nehmen und dich von Kopf bis Fuß ausmessen. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen noch einen Tag oder so warten.«
    Schweigen. Dorns Augen waren geweitet. Es lag nicht nur an dem Beruhigungsmittel. »Danke, Duun-hatani.«
    »Geh ins Bett!«
    Dorn zog sich humpelnd zurück.
    So, so. Keine Rebellion. Es hätte anders laufen können. Duun starrte zur leeren Küchentür hinaus. Durch den Waldgeruch roch man noch die Ausdünstungen des Umbaus. Durch die falsche Luft und die falschen Bilder hindurch. Und der Sand

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