Das Kuckucksei
verletzlichem Hinterteil; Dorn zuckte zusammen, zog sich noch einmal hoch und sprang dann zu Boden, drehte sich in der Bewegung um. Er schnappte nach Luft, aber seine Augen leuchteten, so gesund fühlte er sich an diesem Morgen. Duun schürzte die Lippen. »Schmerzt nicht mehr, wie?«
»Nein.« Und vorsicht schlich sich in Dorns Gebaren. Duun betrachtete ihn forschend. Er dachte nach. Dorn entspannte sich, und jetzt war es Duun, der nachdachte und ihn dabei betrachtete, und das war Grund genug für die Vorsicht. Vieles geschah hinter diesen Wänden, wo Dorn einmal aufgewacht war und sich in einem nächtlichen Himmel schwebend vorgefunden hatte. Und er erstickte einen Schrei, der sofort Duuns Abscheu erweckt hätte. Und Dorn drehte jetzt selbst jeden Abend die Sterne an und ging schwindelig ins Bett, streckte sich darauf aus und zwang sich dazu, nach oben zu blicken und sich umzuschauen, mit ausgebreiteten Gliedern daliegend wie früher im Sommer auf einer Bergflanke, ungeschützt gegen den Himmel, der sich langsam drehte. Er erinnerte sich daran, was es für ein Gefühl war, wenn man flog. Erinnerte sich, wie sich das Land schwindelerregend unter ihm drehte, sich das Schweregefühl änderte, erinnerte sich auch an das Gefühl zu fallen, verstärkt durch die Höhe, die so groß war, daß sie das Vieh in Insekten verwandelte und Täler in Kleiderfalten. Und die Dunkelheit und die Sterne nahmen ihn gefangen und wirbelten ihn umher, bis das Flugempfinden wieder da war, und er lag ganz bewußt da und überwand seine Furcht und schlief darüber ein. Manche Ängste hatte Duun ihm aus bestimmtem Grund eingeflößt, aber über diese hätte er gelacht. Dorn spürte, daß es so war - und Duuns Verachtung war schlimmer als die Höhe, schlimmer als jedes Fallen. Er hoffte jetzt auf Duuns Zustimmung ... den rasch wieder bedeckten Blick, die Spannung des Mundes - für solch kleine Dinge strengte er sich an, aber sie hatten ja auch Bedeutung für ihn. Der schmerzhafte Schlag -das war nur ein Scherz; Duun trieb Scherze mit ihm und provozierte ihn, und das bedeutete - bedeutete vielleicht, daß Duuns Zurückhaltung, sein Mitgefühl ihm gegenüber nicht mehr bestand. Er spürte Duuns Abscheu vor diesem Ort und dem, was ihn hierhergeführt hatte. (Vergib mir, Duun-hatani. Vergib mir das alles. Daß wir hier sind. Daß ich hilflos bin und dich enttäusche, und, bei den Göttern - sei nicht böse, Duun!)
Duun stieß ihn fest in den Bauch. Dorn hielt stand. Er versenkte sich in seinen Schwerpunkt, erwartete - irgendeinen plötzlichen Zug. Einen Schlag, der geeignet war, ihm den Kopf herunterzuschlagen, den Duun auch so ausführte, weil er wußte, daß Dorn ihn abwenden konnte. Dorn dachte daran, aber auf einmal ging ihm der mögliche Schlag aus dem Sinn; das Zeitgefühl kam ihm abhanden, und er erschauerte und zuckte zusammen, als er es merkte. Und Duun sah das auch.
»Wo sind deine Gedanken, Haras?«
Dorn sammelte sich wieder. Duun ging um ihn herum, trat hinter ihn. Dorn spitzte die Ohren. Er lauschte Duuns weichen Schritten auf dem Sand. Sein eigener schneller Atem setzte seine Hörfähigkeit herab und gefährdete ihn. Er bewegte sich nicht, bis er Duun an seiner linken Seite hörte; dann drehte er den Kopf und folgte der Bewegung, die ihn im Augenwinkel neckte.
Langsam streckte Duun die rechte Hand nach Dorns Gesicht aus ... (Ein Angriff?) Dorns Herz machte einen Sprung, und in einem kritischen Augenblick überschritt die Hand seine Reaktionsgrenze, und er duldete sie dann, ermöglichte es Duun, seine Kinnlade zu berühren. Die zwei Finger packten sie sanft an beiden Seiten, was keine andere Hand durfte als die seines Lehrers, aber die Hand, die sich so langsam bewegt hatte, wäre auf diese Weise angreifbar, und er wußte es. Er dachte daran. Wenn Duun Schwächen in ihm entdeckte, griff er sie an, aber diese Schwäche war zulässig; sie war die Sicherung, die dafür sorgte, daß die Spiele Spiele blieben. Duun nahm sie ihm nie. Duuns dunkle Augen waren auf einer Ebene mit seinen und verströmten ihre Kraft in ihn, wie die Dunkelheit der Nacht, wie die Dunkelheit und all die Sterne, zwischen denen er umherwirbelte und zugrundeging.
»Woran fehlt es dir, Haras-hatani?«
(O ihr Götter, Duun ... nein!)
»Woran fehlt es dir, Haras-Dorn? Warum konnte ich dich überrumpeln? Wodurch bist du angreifbar? Sag es mir!«
»Du bist es, Duun-hatani. Dich brauche ich.«
Der Griff tat weh. Quetschte ihn. »Was bin ich für dich,
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