Das Kuckucksei
Streichen bestehend, wurde wieder lebendig.
(Als hätte dieser Raum auf einmal wieder ein Herz bekommen.) Dorn spürte, wie etwas in seiner Brust weiter wurde, wie ihn irgendeine Furcht verließ. Der Frühling war vorüber.
»Habt ihr mich vermißt?« wollte Betan wissen.
Die anderen zuckten mit den Ohren und rollten mit den Augen, wie sie es immer taten, wenn verbotene Dinge das Thema waren. Somit hatte es einen zotigen Anflug.
»Ja«, sagte Dorn einfach. Würde schien ihm die beste Devise. (Sie machen Scherze darüber, daß sie ihre Zeit hat. Ich wette, daß keiner von ihnen dieses Frühjahr einer Frau nahegekommen ist.)
(Ebensowenig wie ich. Und ich werde es auch nicht. Ein Hatani hat nichts, besitzt nichts. Betan hat Eigentum in der Stadt. Sie braucht nicht zu heiraten. Sie könnte alle ihre Kinder für sich allein haben.) Zwischen Duun und den zotigen Witzen hatte Dorn ein paar Dinge gelernt. (Aber ich wette, irgend jemand wird ihr einmal sein bestmögliches Angebot machen.)
»Als Ghosanhatani nach Elanten kam, begegnete sie dort zwei Schwestern, die sie baten, zwischen ihnen und ihrem Ehemann einen Schiedsspruch zu fällen. Sie hatten beide denselben Mann geheiratet, und zwar für abwechselnd jeweils fünf Jahre. Alle drei waren Töpfer, und ihm war ein Töpferladen aus dem Erbe seiner Mutter versprochen, also schien eine Heirat profitabel. Aber im vierten Jahr der ersten Schwester gebar die zweite ein Kind, das nur ihres war. Der Ehemann weigerte sich, die zweite Ehe zu vollziehen, wenn die Frau das Kind nicht enterbte. Und damit hätten beide Frauen das verloren, was sie in das Geschäft investiert hatten. ›Das ist keine große Sache‹, meinte Ghosanhatani, als die beiden Schwestern sich an sie wandten. ›Beurteilt sie selbst. ‹ Natürlich war der Ehemann nicht dabei. Er hatte nicht den Wunsch, daß ein Urteil gefällt wurde. Und die zweite Schwester sah Ghosan an und verlor den Mut.
›Komm‹, bat sie ihre Schwester. ›Wir waren verrückt, uns an diese Hatani zu wenden.‹ Und sie lief weg. Aber die erste Schwester blieb und sagte: ›Ich will ein Urteil!‹ Also ging Ghosanhatani in Elanten von Tür zu Tür und fragte alle im Dorf nach dem, was sie wußten. Und sie fragte auch den Friedensrichter. Und alle bestätigten, was die Schwestern berichtet hatten. ›Gebt mir eine Feder‹, sagte Ghosan, und der Friedensrichter gab ihr eine. Und Ghosan trug in das Dorfarchiv ein, daß der Töpferladen dem Kind und seinen Nachkommen gehörte; und sollte es keine geben, dann dem Dorf Elanten.«
»Aber dafür haben sie das Kind doch wohl gehaßt!« wandte Dorn ein.
»Vielleicht«, sagte Duun. »Aber wenn das Kind erwachsen wurde und der Ehemann über seine besten Jahre hinaus war, was hätte das Kind dann davon abgehalten, ihn hinauszuwerfen? Also vollzog er nicht nur die Ehe, sondern wollte auch die Frauen für immer heiraten, aber sie heirateten ihn für den Rest seines Lebens nur jeweils für ein Jahr, obwohl er sehr gut zu ihnen und zu dem Kind war. Die Töpferindustrie besteht heute noch in Elanten, und sie exportiert in die ganze Welt.«
»Heiraten Hatani?« wollte Dorn wissen. Er dachte dabei an Betan. Sein Herz schlug schnell. (Hätte ich das wirklich fragen sollen? Es war eigentlich nicht der Kern der Geschichte.) Aber nachts hatte er bestimmte Empfindungen, die mit vagen und beunruhigenden Träumern kamen, aus denen er beschämt über sich selbst erwachte. Und Duun sagte nie etwas dazu, sondern sah ihn nur mit jener Reserviertheit an, die nicht dazu geeignet war, ihn zu beruhigen. (Macht Duun solche Dinge in der Nacht? Etwas stimmt nicht mit mir. Warum sollte es nicht so sein? Wer waren meine Mutter und mein Vater? War es bei mir wie mit jenem Kind?)
(Bin ich meiner Mutter aufgrund eines Hatani-Urteils weggenommen worden? War es Duuns Urteil?)
»Es gibt Fälle«, sagte Duun.
»Warst du je verheiratet?«
»Mehrmals.«
Das schockierte Dorn. (Er hat das - mit einer Frau gemacht.)
Sein Gesicht wurde heiß. (Ich könnte es auch tun.) Er dachte an die Foenin in den Wäldern und bewegte sich unruhig, umklammerte fest die Knie. (Denk an etwas anderes. Was hat Duun sonst noch gemacht? Woher hat er seine Narben? Gehört das alles in eine Geschichte?)
»Es lebte einmal ein Hatani namens Ehonin«, sagte Duun. »Er hatte mit einer Frau, die nicht seine Ehefrau war, eine Tochter. Als diese erwachsen war, reiste sie in eine andere Provinz, wo sich Ehonin jetzt aufhielt. Sie bat ihn, zwischen
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