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Das Kuckucksei

Das Kuckucksei

Titel: Das Kuckucksei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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erst den Bildschirm und dann ihn.
    Ihre Ohren zuckten auf und ab, und sie schürzte die schönen Lippen. So dicht bei ihm stehend duftete sie nach Wärme, nach Blumen, und er wünschte sich zurück nach Sheon, wollte die Welt wieder so einfach haben wie früher, sehnte sich zurück nach dem Duft von Erde und Staub und den Antworten, die er früher gekannt hatte. »Wir haben das Jahr 1759«, sagte sie. Und Abgründe eröffneten sich rings um ihn. Zweifellos hielt Betan ihn für dumm. Natürlich waren sie alle in der Welt aufgewachsen, während es für ihn nur Sheon gegeben hatte. Sie lachte ihn an. »Warum?«
    »Es kam halt nie zur Sprache, das ist alles.« Er ließ die Bildschirmanzeige weiterwandern. Sie ging bis 1600 und hielt dort an. »Ich brauche eine neue Cassette.«
    Betan setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches und legte ihm die Hand auf das Bein, etwas oberhalb des Knies. Die Berührung verbrannte ihn. Er wandte verzweifelt den Blick ab, suchte im Augenwinkel nach den anderen, aber sie saßen alle an ihren Schreibtischen, und schienen es nicht zu bemerken.
    »Entschuldige«, sagte Betan. »Ich hätte nicht lachen sollen.« Und sie roch nach Andersartigkeit und Wärme, und das Herz klopfte Dorn gegen die Rippen. Sie drückte sein Knie, und sein Bein spannte sich; er wünschte sich, er könnte ihre Hand loswerden, bevor sonst etwas geschah. »Sheon ist nicht gerade die Hauptstadt der Welt, nicht wahr? Sieh mal, wenn du dabei Hilfe brauchst, bleibe ich gerne.«
    »Duun möchte, daß ich bis Mittag im Übungsraum bin.«
    »Ah.« Sie tätschelte sein Bein und stand auf. »Aber wir haben 1759, den 19. Ptosin. Der Sommer geht zu Ende.«
    Dorn war sich auf einmal mit überwältigender Intensität bewußt, wie öde die weißen Wände der Schule waren, die falschen Fenster, hinter denen manchmal Geräte summten. Die Welt drang auf ihn ein wie eine Faust, die sich um sein Herz ballte.
    In Sheon waren die Blätter jetzt grün und öffneten sich jetzt die Hiyi-Hülsen; die Foen-Jungen kamen unsicheren Schrittes zum Vorschein und ...
    ... zischten neugierige Bauernkinder an. Mon hieß eines davon. Ihnen gehörte jetzt das Haus. Sie wohnten in seinen Zimmern. Saßen vor der Feuerstelle auf dem warmen Sand, alle zusammen.
    Mon. Mon. Mon. Er haßte diese Person!
    Die Stadt umschloß ihn. Sperrte ihn ein. Aber es war ja seine eigene Schuld. Seine Andersartigkeit hatte dazu geführt.
    »Haras?«
    »Ich kann nicht.«
    Betan gab auf und entfernte sich, ging wieder zu ihrem Schreibtisch und setzte sich mit gekreuzten Beinen daran, Dorn den Rücken zugewandt. Dorn nahm die Tastatur wieder auf und betrachtete den Bildschirm.
    Eine Nachricht erschien darauf: » BETAN: Na ja, dann eben morgen. Ich könnte dir Antworten geben auf die Fragen, die dich beschäftigen. «
    Dorn sah, wie die Zeilen dreimal über den Bildschirm wanderten. Sein Herz klopfte immer schneller. »B-e-t-a-n« , tippte er ein, adressierte seine Antwort. »J-a.«
     
    Dorn stand wieder auf und klopfte den Sand von sich ab. Er verbeugte sich. »Ja, ich sehe es.«
    »Noch einmal«, verlangte Duun. Duun begrenzte seine Kleidung beim Training nicht immer auf den kleinen Kilt, aber er tat es heute, so daß alle seine Narben sichtbar waren. Sie zogen sich wie Blitze durch das graue und schwarze Körperhaar und über seinen verstümmelten Arm, wirkten wie aus einem Stoff mit den Gesichtsnarben, so daß sie eine furchterregende Symmetrie erlangten, die Dorn schon in den Jahren gespürt hatte, als er noch gar nicht gewußt hatte, daß es Narben waren, oder bevor er erfahren hatte, daß gar nicht alle Leute auf der Welt so gezeichnet waren wie Duun, nicht alle nur einen verstümmelten rechten Arm hatten und nicht alle ein solch permanentes Lächeln zeigten, das, wie Dorn wußte, genügte, um jeden Gegner zu entmutigen, dem Duun je gegenüberstand. Und es entmutigte jetzt ihn, Dorn. (Heute will er es mir zeigen. Er hat etwas vor.) Und da drängte sich ihm auf einmal der verhängnisvolle Gedanke auf, daß Duun ihn inzwischen für eine ganze Weile in Frieden gelassen hatte. (Um meine Studien nicht zu unterbrechen - das war sicherlich der Grund. Oder ich bin besser geworden, und er wird es nicht mehr versuchen ...)
    Dieser Gedanke verschwand bei einem gescheiterten Angriff, in einem viel zu langen Augenblick des Gleichgewichtsverlustes, den er zum Fallen brauchte, als Duun ihn von den Beinen riß.
    Duun grinste oft bei solchen Gelegenheiten, aber diesmal stand er nur mit

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