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Das Kuckucksei

Das Kuckucksei

Titel: Das Kuckucksei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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noch nie Alte gesehen, nicht wahr?«
    »Nein, Sagot.« Es fiel ihm schwer, überhaupt etwas zu sagen. (Alter. Ihr Götter, sie ist so zerbrechlich ... und es ist eine Sie, muß es sein. Werde ich auch einmal so? Und sie kennt mich ... sie ist eine Freundin von Duun ...)
    »Ich bin jetzt deine Lehrerin.«
    »Auch die der anderen?«
    »Nein, nur deine. Soll ich dich Haras oder Dorn nennen? Was ziehst du vor?«
    »Es ist mir gleich, Sagot.« (Wie soll ich sie anreden? Ist sie eine Hatani? Oder eine von den Meds? Oh, ich will hier raus, Duun, ich will die anderen zurückhaben! Sogar Cloen, wenn schon nicht Betan; wenigstens Sphitti! Wenigstens Elanhen, jemanden, den ich kenne!)
    »Ich habe zwei Kinder. Beides Jungen. Sie sind erwachsen und haben selbst Kinder, und auch ihre Kinder haben schon erwachsene Kinder. Es ist lange her, seit ich die Lehrerin eines Jungen war. Es hat mir immer gefallen.«
    (O ihr Götter!) Die Sanftheit fand empfindliches Fleisch und glitt hinein wie ein Messer. Sie löste wieder die Tränen, so rasch, daß er keine Gelegenheit fand, sich zurückzuziehen, es zu vertuschen. Dorn legte das Gesicht in die Hände, blamierte sich selbst und Duun, und die Brust tat ihm weh, als wäre etwas darin zerbrochen. Er schluchzte. Er bebte am ganzen Körper. Als er sich wieder beherrschen konnte, wischte er sich Gesicht und Nase mit nassen Händen ab und sah wieder auf, weil er nicht anders konnte.
    »Du bist ein prächtiger junger Mann«, meinte Sagot. »Ich mag dich.«
    »Du lügst, du lügst, Duun hat dich beauftragt ...«
    »Zweifellos hat er das. Aber du bist trotzdem ein prächtiger junger Mann. Ich kann in dich hineinsehen und es erkennen. Ich kann mehr sehen, als du denkst; ich habe zu viele Jungen aufgezogen, um noch nicht hin und wieder erlebt zu haben, wie ein junger Mann weint und vor mir sein Herz ausschüttet - auch junge Frauen ... Und ich gestehe, sogar ein paar, die gar nicht mehr so jung waren, alle geschüttelt von Problemen, die ihnen in dem Augenblick gewaltig vorkamen. Ein derartiges Klagen ist wie ein mächtiger Sturm. Er ist gut für dich. Er braust durch den Wald und bricht ein paar Äste. Aber er kündigt eine Veränderung an. Er bringt eine Wende der Jahreszeiten. Er erneuert die Dinge. Und das ist gut. Deine Augen strahlen - sehr schöne Augen, wenn auch anders. Sie sind blau, nicht wahr, wenn sie nicht tränen?«
    »Laß mich in Ruhe!«
    »Erstaunlich, wie sehr sich junge Männer gleichen! Erst klagen sie, dann brüllen sie. Ich weiß, daß es weh tut. Ich habe zwei Ehemänner begraben. Ich weiß etwas über den Schmerz.«
    »Bist du eine Hatani?«
    Sie lächelte. »Ihr Götter, nein! Aber ich kenne Duun. Du weißt, daß ein Hatani vieles kann, aber wenn andere Dinge auftreten - nun, die Vernunft kann nicht alles lösen. ›Kümmere dich um ihn‹, sagte er. ›Sagot, sprich mit ihm, lehre ihn ...‹
    ›Warum sollte ich das tun?‹ fragte ich. ›Ich habe meine Arbeit, ich habe dies und das zu erledigen, ich habe vierzehn Ururenkel, ich brauche nicht noch einen Jungen ...‹ Aber dann habe ich nachgedacht; es war schon so lange her. Sie sind alle erwachsen. Ich bin jetzt hundertneunundfünfzig, junger Mann, und habe schon die ganze Welt bereist; ich bin Flüsse hinabgefahren und war an beiden Polen; ich habe Bücher geschrieben -auch einige von deinen Lehrbüchern, nebenbei. Ich hatte neun Ehemänner, Liebhaber, die ich vergessen habe, ein paar, an die ich mich weiter erinnere; ich habe junge Knie geflickt, Knochen eingerichtet, Babies geboren und genug von der Welt gesehen, um von nichts mehr schockiert zu werden. Das ist die Wahrheit.«
    »Vielleicht hat Duun dich deshalb gebeten, dich um mich zu kümmern.« Es klang bitter. Aber irgendwann während ihres Geplappers hatte der Schmerz in seiner Brust aufgehört; Sagot hatte ihn geheilt, und Dorn hatte jetzt nicht mehr den Wunsch, wegzulaufen. Er saß mit baumelnden Füßen da, die fünffingrigen Hände im Schoß, und die restlichen Tränen trockneten in seinem nackten Gesicht ... (Aber Betans pelzige Haut war seidig und schmeckte, wie sie roch ...)
    »Ich denke, du schätzt dich selbst nicht richtig ein«, stellte Sagot fest. »Es ist schön und gut, ein Hatani zu sein, aber du bist nicht nur das, weißt du, genausowenig, wie du nur diese beiden Augen bist oder diese beiden Hände oder dieses Geschlecht zwischen deinen Beinen ...« (Hitze stieg ihm ins Gesicht.) »Oh, nun, Junge, ich weiß, ich weiß, du hast es gerade erst

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