Das Kuckucksei
sagte Duun. »Du weißt, was die Vererbung bestimmt.«
(Mach schnell! Stoß das Messer schnell hinein, Duun! O ihr Götter, ich will hier nicht die ganze Zeit hindurch sitzenbleiben!) »Ja, ich weiß.«
»Du weißt, daß die Gene dich zu dem machen, was du bist; daß kein Wesenszug, den du manifestierst, ein Produkt des Zufalls ist. Du bist ein harmonisches Ganzes, Haras.«
»Bist du mein Vater?«
»Nein. Du hast keinen. Auch keine Mutter. Du bist ein Experiment. Ein Versuch, wenn du willst ...«
Dorn fühlte sich seltsam benommen. Duuns Stimme schwebte irgendwo im Dämmerlicht, in der Zeitlosigkeit des Ausblicks. Die Nacht ging ewig weiter, und er hörte immer weiter zu.
»Das glaube ich nicht«, meinte er schließlich. Nicht, weil er nicht glaubte, daß die Wahrheit gleichermaßen schrecklich war, sondern weil er keine Möglichkeit sah, sie zu erfahren. »Duun, die Wahrheit! Ich bin etwas, das schiefgegangen ist ...«
»Nicht schiefgegangen. Niemand hat etwas von schiefgegangen gesagt. Du hast dich richtig entwickelt, aber du bist anders. Ein Experiment. Du weißt, wie eine Empfängnis stattfindet. Du weißt, wie man genetische Manipulationen durchführt ...«
»Ich weiß nicht, wie das gemacht wird.« (Kalt, präzise, wie eine Unterrichtsstunde. Es konnte nicht er sein, worüber sie diskutierten, sondern etwas in einer Schale, ein Staubkorn, das in einem Glas schwebte.) »Ich weiß, daß so etwas gemacht wird. Ich weiß, daß sie Dinge zusammensetzen und damit etwas herbeiführen können, was vorher nicht existierte.«
»Du weißt, wenn jemand ein Kind haben möchte und - ein körperliches Hindernis besteht ... dann gibt es Möglichkeiten, den Embryo auszutragen. Eine Gastmutter. Manchmal eine Freiwillige. In anderen Fällen ein mechanisches Hilfssystem. Ein künstlicher Mutterleib. So war es in deinem Fall.«
(Eine Maschine. O ihr Götter, eine Maschine!) »Daran ist nichts Ungewöhnliches«, erklärte Duun. »Du hast das mit ein-, zweitausend normalen Leuten gemeinsam, die auf andere Art nicht hätten geboren werden können. Die Medizin ist ein Wunder.«
»Sie haben mich ausgedacht.«
»So ähnlich.«
Er hatte sich bemüht, nicht zu weinen. Die Tränen kamen aus dem Nichts und rannen in einem endlosen Strom an seinem Gesicht herab. »Als sie mich zusammengesetzt haben in diesem Labor ...« Er konnte längere Zeit nicht reden, und Duun wartete. Dorn fing noch einmal an. »Als sie mich gemacht haben, haben sie sich da die Mühe gemacht, es zweimal zu tun? Gibt es noch irgend jemanden wie mich?«
»Nein«, sagte Duun. »Auf der ganzen Welt nicht.«
» Warum ? Um der Götter willen, warum denn das alles? «
»Nenn es Neugier. Die Meds hatten zweifellos Gründe, die sie für ausreichend hielten.«
»Die Meds ...«
»Sie sind deine Väter, wenn du so willst. Man könnte sagen, daß Ellud dein Vater ist. Oder andere im Programm.«
»Und was bist du?«
»Eine Hatani-Lösung.«
Kleine Warnzeichen klingelten. Ein alarmierendes Prickeln. Selbsterhaltung. Warum sollte ich mir darüber Gedanken machen? Warum sollte ich mir etwas daraus machen?) Aber er hatte Angst. »Wessen?«
»Ich hätte vieles tun können. Ich entschied mich dafür, dir die beste Chance zu geben, die ich dir bieten konnte. Die einzige Chance, die ich dir aus meinen Möglichkeiten heraus bieten konnte. Wie bei Ehonin und seiner Tochter.«
»Wer hat darum ersucht?«
Duun schwieg lange. »Die Regierung.«
» Sie hat um eine Hatani-Lösung gebeten? « Die enormen Konsequenzen dieser Feststellung überspülten Dorn wie eine Flut. Duuns Augen wichen nicht von ihm.
»Du bist einer meiner Klienten. Ich habe dir alles gegeben, was ich dir geben konnte. Und ich werde damit fortfahren. Das ist alles, was ich tun kann.«
Die Sterne glitzerten weiter, unter Wasser jetzt. »Ich wollte sie lieben, Duun.«
»Ich weiß.«
»Ich will sterben.«
»Ich habe dich gelehrt zu kämpfen. Nicht zu sterben. Ich bringe dir bei, wie man Lösungen findet.«
»Finde eine hierfür.«
»Ich bin bereits darum gebeten worden.«
Dorn schauderte. Alle seine Glieder zitterten.
»Komm her!« sagte Duun und streckte die Hände aus.
»Komm her, Elritze!«
Dorn gehorchte. Es war mitleiderregend, was Duun ihm anbot, eine Schande für sie beide. Duun nahm ihn in die Arme und hielt ihn fest, bis das Zittern aufhörte. Danach lag Dorn ganz ruhig für lange Zeit an Duuns Schulter, und Duuns Arme waren seine Wiege, wie früher vor dem Feuer, auf Sheon, als er noch
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