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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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eine Frau, die als Staatsfeindin bezeichnet wurde. Sie war schwanger und kurz vor ihrer Zeit.
    Gurgehs Augen schlossen sich. Seine Hände pressten sich auf seine Ohren. Er richtete den Blick nach unten. »Genug«, murmelte er.
    Flere-Imsaho schaltete den Schirm aus. Gurgeh schaukelte auf den Fersen rückwärts, als habe tatsächlich eine Anziehungskraft auf ihn eingewirkt, eine von dem Schirm ausgehende künstliche Schwerkraft, und nun, wo sie nicht mehr da war, hätte er beinahe das Gleichgewicht verloren.
    »Das war eine Live-Sendung, Jernau Gurgeh. Es geschieht jetzt. Es geschieht immer noch, tief in einem Keller unter einem Gefängnis oder einer Polizei-Kaserne.«
    Gurgeh sah den leeren Schirm an. Seine weit aufgerissenen Augen starrten immer noch, waren aber trocken. Er sah hin, schaukelte rückwärts und vorwärts und atmete tief. Auf seiner Stirn stand Schweiß. Er erschauerte.
    »Ebene Drei ist nur für die herrschende Elite. Ihre strategischen militärischen Signale haben die gleiche Geheimhaltungsstufe. Sie verstehen sicher, warum.
    Dies ist keine besondere Nacht, Gurgeh, kein sado-erotisches Festival. So etwas wird jeden Abend gesendet… Es gibt noch mehr, aber Sie haben einen repräsentativen Querschnitt gesehen.«
    Gurgeh nickte. Sein Mund war trocken. Er schluckte mit einiger Mühe, holte noch ein paar Mal tief Atem, rieb sich den Bart. Er öffnete den Mund zum Sprechen, doch der Roboter kam ihm zuvor.
    »Noch eins. Man hat Ihnen noch etwas vorenthalten. Ich wusste bis gestern Abend, als das Schiff es erwähnte, selbst nichts davon. Seit Ihrem Spiel gegen Ram stehen auch Ihre Gegner unter verschiedenen Drogen. Zumindest unter Amphetaminen, die den Kortex beeinflussen, aber sie besitzen weitaus raffiniertere Mittel, die sie ebenfalls benutzen. Die Medikamente müssen injiziert oder geschluckt werden; sie haben keine durch Genmanipulation veränderten Drüsen, mit denen sie Drogen im eigenen Körper produzieren könnten, aber benutzen tun sie sie trotzdem. Die meisten Leute, gegen die Sie gespielt haben, hatten weitaus mehr ›künstliche‹ Chemikalien und Präparate im Blutkreislauf als Sie.«
    Der Roboter gab ein seufzendes Geräusch von sich. Der Mann starrte immer noch den toten Schirm an. »Das war’s dann«, sagte der Roboter. »Es tut mir Leid, wenn das, was ich Ihnen gezeigt habe, Sie aus der Fassung gebracht hat, aber ich wollte nicht, dass Sie den Planeten hier in dem Glauben verlassen, das Kaiserreich bestehe lediglich aus ehrenwerten Spielern, eindrucksvoller Architektur und ein paar tollen Nachtclubs. Was Sie heute Abend gesehen haben, gehört ebenfalls dazu. Und es liegt eine Menge dazwischen, was ich Ihnen nicht zeigen kann, alle die Enttäuschungen, unter denen die Armen und die relativ Gutgestellten gleicherweise zu leiden haben, einfach weil sie in einer Gesellschaft leben, in der es niemandem freisteht, den Weg zu gehen, den er selbst wählt. Da ist der Journalist, der nicht schreiben kann, was er als die Wahrheit erkannt hat, der Arzt, der Menschen, die Schmerzen leiden, nicht behandeln darf, weil sie dem falschen Geschlecht angehören… eine Million Dinge jeden Tag, Dinge, die nicht so melodramatisch und roh sind wie das, was ich Ihnen gezeigt habe, aber trotzdem Teil des Systems, Teil seiner Auswirkungen sind.
    Das Schiff hat Ihnen gesagt, ein schuldiges System kenne keine Unschuldigen. Ich möchte sagen, doch, das tut es. Es kennt zum Beispiel die Unschuld eines kleinen Kindes, und Sie haben gesehen, wie die Vertreter des Systems damit umgehen. In gewissem Sinne kennt es sogar die ›Heiligkeit‹ des Körpers… aber nur, um sie zu schänden. Noch einmal, Gurgeh, alles läuft auf Eigentum, auf Besitz hinaus, aufs Nehmen und Haben.« Flere-Imsaho hielt inne, schwebte auf Gurgeh zu, kam ganz nahe an ihn heran. »Ah, aber ich predige schon wieder, nicht wahr? Die Exzesse der Jugend. Sie haben meinetwegen lange aufbleiben müssen.
    Vielleicht sind Sie jetzt bereit für den Schlaf; es war eine lange Nacht, nicht wahr? Ich werde Sie allein lassen.« Er drehte sich um und flog davon. An der Tür hielt er wieder an. »Gute Nacht«, sagte er.
    Gurgeh räusperte sich. »Gute Nacht.« Endlich riss er den Blick von dem dunklen Schirm los. Der Roboter wackelte und verschwand.
    Gurgeh setzte sich in einen Formsessel. Eine Weile betrachtete er seine Füße, dann stand er auf, verließ das Modul und ging in den Dachgarten. Eben graute der Morgen. Die Stadt wirkte verwaschen und kalt. Die

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