Das Kultur-Spiel
Bermoiya in beiden Bereichen seines Lebens schon gesehen hatte. Ohne seine Gerichtserfahrung, dachte er bei sich, wäre er vielleicht buchstäblich ins Schwanken geraten.
Diese paar Züge waren wie eine Reihe von Tritten in den Bauch. Sie enthielten all die berserkerhafte Energie, die die allerbesten jungen Spieler vereinzelt zeigten. Aber sie waren methodisch, synchronisiert, geordnet, und sie wurden mit einem Stil und einer wilden Grazie vorgetragen, die ein unbeleckter Anfänger niemals sein Eigen hätte nennen können. Beim ersten Zug erkannte Bermoiya, was für einen Plan der Alien hatte. Beim nächsten erkannte er, wie gut der Plan war, beim übernächsten, dass es bis zum folgenden Tag dauern mochte, bevor er den Alien endgültig besiegt hätte, und dann, dass seine, Bermoiyas, Position nicht ganz so unangreifbar war, wie er gedacht hatte… und bei den folgenden zwei Zügen, dass er immer noch eine Menge Arbeit vor sich hatte, und dann, dass die Partie schließlich doch nicht bis morgen weitergehen würde.
Wieder machte Bermoiya seine Züge, versuchte es mit allem an Tricks und Listen, was er in einem Jahrhundert des Spielens gelernt hatte: Er setzte die verkleidete Beobachtungsfigur ein, er benutzte Angriffsfiguren und Karten für eine Finte-in-der-Finte, er führte die Elemente-Figuren, die auf das Brett des Werdens gehörten, vorzeitig ins Treffen und erzeugte durch die Konjunktion von Erde und Wasser einen Sumpf auf dem Territorium – aber nichts hatte Erfolg.
Er hielt kurz vor der Pause am Ende der Nachmittagssitzung inne und sah den Alien an. In der Halle war es still. Der Mann stand mitten auf dem Brett, den Blick gleichmütig auf eine weniger bedeutende Figur gerichtet. Er strich das Haar auf seinem Gesicht, wirkte ruhig und gelassen.
Bermoiya überprüfte seine eigene Situation. Sie war ein einziges Durcheinander, und es gab jetzt nichts mehr, was er hätte tun können. Es war aus. Das war wie ein schlecht vorbereiteter, von vornherein mit Fehlern behafteter Fall vor Gericht oder wie ein zu drei Vierteln zerstörter Gebrauchsgegenstand, der nicht mehr zu reparieren war, sodass man ihn besser wegwarf und mit einem neuen von vorn anfing.
Nur konnte er hier nicht von neuem anfangen. Man würde ihn von hier weg- und in ein Krankenhaus bringen und kastrieren. Er würde das verlieren, was ihn zu dem machte, der er war, und er konnte es niemals mehr zurückgewinnen. Niemals mehr!
Bermoiya hörte die Leute in der Halle nicht. Er sah sie auch nicht, er sah auch das Brett unter seinen Füßen nicht. Alles, was er sah, war der fremde Mann, der groß und insektenartig mit seinen scharfen Zügen und seinem kantigen Körper dastand und mit einem langen, dunklen Finger über sein behaartes Gesicht strich.
Wie konnte er so unbekümmert dreinblicken? Bermoiya kämpfte gegen den Drang zu schreien an; er atmete in einem heftigen Stoß aus. Wie leicht hatte heute Morgen noch alles ausgesehen! Welch ein herrliches Gefühl war es gewesen, dass er nicht nur zum Finale auf den Feuerplaneten reisen, sondern auch gleichzeitig dem kaiserlichen Amt einen großen Gefallen tun würde! Jetzt dachte er, die Vertreter des Amtes hatten vielleicht die ganze Zeit über gewusst, dass dies geschehen könnte und dass sie ihn – aus Gründen, die er nicht kannte, weil er immer loyal und gewissenhaft gewesen war – gedemütigt und zu Fall gebracht sehen wollten. Ein Irrtum – es musste ein Irrtum sein…
Aber warum jetzt?, dachte er. Warum jetzt?
Warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, warum auf diese Weise, mittels dieser Wette? Warum hatte man ihn aufgefordert, diesen Einsatz zu machen, wenn er den Samen eines Kindes in sich trug? Warum?
Der Alien rieb sein haariges Gesicht, schürzte seine fremdartigen Lippen und blickte auf eine bestimmte Stelle des Brettes nieder. Bermoiya taumelte auf den Mann zu, merkte nichts von den Hindernissen auf seinem Weg, trampelte die Biotechs und die anderen Figuren nieder und ließ die Pyramiden zusammenbrechen.
Der Alien drehte sich zu ihm um, als sehe er ihn zum ersten Mal. Bermoiya blieb unwillkürlich stehen. Er sah in die fremdartigen Augen.
Und sah nichts. Kein Mitleid, kein Verständnis, keine Freundlichkeit, keinen Kummer. Er sah in diese Augen, und als Erstes fühlte er sich an den Blick erinnert, den Kriminelle manchmal hatten, wenn sie zu einem schnellen Tod verurteilt worden waren. Es war ein leerer Blick, keine Verzweiflung, kein Hass, sondern etwas Flacheres und
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