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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Nicosar es sah, aber er bezweifelte, dass sonst jemand fähig war, es zu sehen. Sie waren wie ein Paar heimlich Liebender, sicher in ihrem großen Nest eines Raums, miteinander vereint vor hunderten von Leuten, die es sahen, aber nicht erkannten, und die niemals erraten würden, bei welchem Vorgang sie Zeugen waren.
    Das Spiel auf dem Brett der Form ging zu Ende. Gurgeh verlor, aber er hatte sich vom Rand des Abgrunds zurückmanövriert, und der Vorsprung, mit dem Nicosar auf das Brett des Werdens überwechselte, war weit davon entfernt, entscheidend zu sein.
    Die beiden Gegner trennten sich. Dieser Akt war vorüber, der letzte sollte erst beginnen. Gurgeh verließ die Halle müde und erschöpft und strahlend glücklich und schlief zwei Tage lang. Der Roboter weckte ihn.
     
    »Gurgeh? Sind Sie wach? Haben Sie Ihre Zerstreutheit abgelegt?«
    »Worüber reden Sie?«
    »Über Sie, über das Spiel. Was geht da vor? Nicht einmal das Schiff konnte dahinter kommen, was auf diesem Brett geschieht.« Der Roboter schwebte braun und grau über ihm und summte leise. Gurgeh rieb sich die Augen, blinzelte. Es war Morgen; jetzt blieben bis zur voraussichtlichen Ankunft des Feuers noch zehn Tage. Gurgeh kam sich vor, als erwache er aus einem Traum, der lebhafter und realer gewesen war als die Realität.
    Er gähnte, setzte sich auf. »Bin ich zerstreut gewesen?«
    »Tut Schmerz weh? Ist eine Supernova hell?«
    Gurgeh reckte sich, grinste. »Nicosar nimmt es nicht persönlich.« Er stand auf, patschte zum Fenster und trat nackt auf den Balkon hinaus. Flere-Imsaho gab einen schockierten Laut von sich und warf ihm einen Morgenmantel über.
    »Wenn Sie wieder anfangen, in Rätseln zu sprechen…«
    »Was für Rätsel?« Gurgeh trank die milde Luft in sich hinein. Noch einmal dehnte er Arme und Schultern. »Ist das nicht eine schöne alte Burg, Roboter?« Er lehnte sich gegen das Steingeländer und holte von neuem tief Atem. »Die wissen, wie man Burgen baut, was?«
    »Das nehme ich an, aber Klaff ist nicht vom Imperium gebaut worden. Das hat sie einer anderen humanoiden Spezies weggenommen, bei der eine ähnliche Zeremonie Brauch war, wie es im Imperium die Kaiserkrönung ist. Doch wechseln Sie das Thema nicht. Ich habe Ihnen eine Frage gestellt. Was ist das nun für ein Stil? Sie sind in den letzten paar Tagen sehr vage und seltsam gewesen. Ich konnte sehen, dass Sie sich konzentrierten, deshalb habe ich Sie nicht gedrängt. Aber ich und das Schiff möchten es gern wissen.«
    »Nicosar hat die Rolle des Imperiums gespielt. Das ist die Grundlage seines Stils. Ich hatte keine andere Wahl, als die Kultur zu werden, daher rührt meiner. So einfach ist das.«
    »Es sieht nicht einfach aus.«
    »Es ist brutal. Stellen Sie es sich als eine Art gegenseitiger Vergewaltigung vor.«
    »Ich finde, Sie sollten aufrichtig sein, Jernau Gurgeh.«
    »Ich bin…«, setzte Gurgeh an und brach ab. Er runzelte wütend die Stirn. »Ich bin vollkommen aufrichtig, Sie Idiot! Warum tun Sie nicht einmal etwas Nützliches und bestellen mir ein Frühstück?«
    »Jawohl, Herr«, antwortete Flere-Imsaho missmutig und tauchte ins Zimmer zurück. Gurgeh sah zu dem leeren Brett des blauen Himmels hoch. Seine Gedanken rasten bereits vor Plänen für das Spiel auf dem Brett des Werdens.
     
    Flere-Imsaho sah den Menschen in den Tagen zwischen dem vorletzten und dem Endspiel immer angespannter und geistesabwesender werden. Er hörte kaum noch, was man zu ihm sagte, man musste ihn erinnern, damit er aß und schlief. Der Roboter hätte es nicht geglaubt, wenn er nicht zweimal selbst gesehen hätte, dass der Mensch mit vor Schmerz verzogenem Gesicht dasaß und ins Leere starrte. Durch eine aus der Ferne durchgeführte Ultraschalluntersuchung entdeckte der Roboter, dass die Blase des Menschen bis zum Platzen voll war; man musste ihm sagen, er solle pinkeln gehen! Jeden einzelnen Tag verbrachte der Mensch damit, dass er konzentriert auf nichts blickte oder fieberhaft Aufzeichnungen von alten Spielen studierte. Und obwohl sein Blut nach seinem langen Schlaf für kurze Zeit von Drogen frei gewesen sein mochte, fing er gleich darauf wieder an zu drüsen und hörte nicht mehr auf. Der Roboter benutzte seinen Effektor, um die Gehirnwellen des Menschen zu überwachen, und stellte fest, dass es kein richtiger Schlaf war, wenn es so aussah, als schlafe er. Anscheinend waren es kontrollierte Wachträume. Seine Drogendrüsen arbeiteten offenbar die ganze Zeit wütend, und zum ersten

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