Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
grobes Polster, eingebeult. Es sah aus, als hätte jemand dort gesessen, in seine Richtung blickend. Er vermutete, dass es die Person war, zu der die Hand gehörte, die er gespürt hatte, sofern es tatsächlich eine war. Es brannte kein Feuer in einem Kreis von Steinen, der unter einem der Löcher des Daches ausgelegt war. Speere lehnten an der Wand, und andere waffenartige Gerätschaften waren im ganzen Raum verteilt. Es waren keine Kampfwaffen; eher für Zeremonien gedacht, oder zur Folterung. In diesem Moment streifte ihn der Hauch von etwas Abscheulichem, und er wusste, dass es Wundbrand war, und er wusste, dass er von ihm kam.
    Die Sinne verließen ihn wieder; er war sich nicht sicher, ob er einschlief oder tatsächlich in Ohnmacht fiel, hoffte jedoch, dass es das eine oder andere sein möge, da ihm beides recht gewesen wäre, denn all dies war mehr, als er in diesem Moment ertragen konnte. Dann kam das Mädchen herein. Sie hatte eine Kanne in der Hand, die sie absetzte, bevor sie ihn ansah. Er versuchte zu sprechen, doch es gelang ihm nicht. Vielleicht hatte er gar nicht wirklich gesprochen, als er geglaubt hatte, »Scheiße« zu sagen. Er sah das Mädchen an und versuchte, ein Lächeln zustand zu bringen.
    Sie ging wieder hinaus.
    Er fühlte sich irgendwie ermutigt durch den Anblick des Mädchens. Ein Mann wäre ein schlechtes Zeichen gewesen, dachte er. Ein Mädchen bedeutete, dass vielleicht alles gar nicht so schlimm war. Vielleicht.
    Das Mädchen kam mit einer Schüssel Wasser zurück. Sie wusch ihn und schrubbte das Blut und die Farbe von ihm ab. Es tat etwas weh. Wie vorauszusehen, geschah gar nichts, als sie seine Geschlechtsteile wusch; er hätte gern ein Anzeichen von Leben gezeigt, nur um der Form zu genügen.
    Er versuchte zu sprechen, doch es gelang ihm nicht. Das Mädchen gab ihm etwas Wasser aus einer flachen Schale zu trinken, und er krächzte etwas, jedoch keine verständlichen Worte. Sie entfernte sich wieder.
    Beim nächsten Mal kam sie mit einigen Männern zurück. Sie trugen viel seltsame Kleidung, wie Federn und Häute und Knochen und Rüstungen aus Holzplättchen, verschnürt mit Darm. Außerdem waren sie bemalt, und sie hatten Töpfe und kleine Stöckchen mitgebracht, die sie dazu benutzten, ihn erneut zu bemalen.
    Sie vollendeten ihr Werk und traten etwas zurück. Er hätte ihnen gern gesagt, dass ihm Rot nicht gut stand, doch er brachte kein Wort heraus. Er fühlte, wie er fiel, hinaus in die Dunkelheit.
     
    Als er wieder zu sich kam, bewegte er sich.
    Der gesamte Rahmen, an den er gefesselt war, war angehoben und aus der Düsternis hinausverfrachtet worden. Er blickte in Richtung Himmel. Grelles Licht blendete seine Augen, Staub verstopfte ihm Nase und Mund, und Rufe und Schreie erfüllten seinen Geist. Er spürte, wie er zitterte, wie ein Fieberopfer, mit reißenden Schmerzen in jedem einzelnen Glied. Er versuchte zu rufen und den Kopf zu heben, um etwas zu sehen, doch es gab nichts anderes als Krach und Staub. Sein Inneres bereitete ihm noch mehr Pein; die Haut über seinem Bauch war straff gespannt.
    Dann befand er sich wieder in aufrechter Haltung, und das Dorf lag unter ihm. Es war klein, es gab einige Zelte, einige Behausungen aus Strohgeflecht und Lehm sowie einige in den Boden gegrabene Löcher. Halb vertrocknetes unbestimmbares Gestrüpp – innerhalb des Dorfes niedergetrampelt – verschwamm dahinter in gelb schimmerndem Dunst. Die Sonne war sichtbar, stand aber sehr tief. Er konnte nicht unterscheiden, ob es Morgen oder Abend war.
    Was er wirklich sah, waren die Leute vor ihm. Er befand sich auf einer Anhöhe, der Rahmen war an großen Stützen befestigt, und die Leute knieten mit gesenkten Köpfen. Es waren kleine Kinder darunter, deren Köpfe von den Erwachsenen neben ihnen hinuntergedrückt wurden, es gab alte Leute, die von den anderen festgehalten wurden, damit sie nicht völlig zusammenbrachen; und es gab alle Altersstufen dazwischen.
    Dann traten drei Leute vor ihn hin, das Mädchen und zwei der Männer. Die Männer, jeweils zu beiden Seiten neben dem Mädchen, neigten die Köpfe, vollführten einen kurzen Kniefall und erhoben sich wieder, und dazu machten sie ein Zeichen. Das Mädchen bewegte sich nicht, ihr Blick verharrte starr auf einem Punkt zwischen seinen Augen. Sie war mit einem leuchtend roten Gewand bekleidet; er erinnerte sich nicht, was sie zuvor getragen hatte.
    Einer der Männer hielt ein großes irdenes Gefäß in den Händen. Der andere hatte ein

Weitere Kostenlose Bücher