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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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verloren und verlassen, und das Schlimmste war, dass er sich von sich selbst verlassen fühlte.
    Er beschloss, sich selbst einige Fragen zu stellen. Was war die Zitadelle? Das war sein Geist… Die Zitadelle müsste mit einer dazugehörenden Stadt, die sein Körper war, eine Einheit bilden, aber es sah so aus, als hätte jemand anderes die Stadt eingenommen, und es war nur noch die Burg, nur noch das Verlies übrig. Was war das Boot, der Ozean? Der Ozean war Schmerz. Er war jetzt in dem Boot, doch davor war er im Ozean gewesen, bis zum Hals, und die Wellen waren über ihm zusammengeschlagen. Das Boot war… eine erlernte Technik, die ihn gegen den Schmerz schützte, ohne ihn vergessen zu lassen, dass er noch da war; es schirmte ihn vor der schwächenden Wirkung des Schmerzes ab, sodass er denken konnte.
    So weit, so gut, dachte er. Nun, was ist das Licht?
    Er müsste darauf vielleicht noch mal zurückkommen. Das Gleiche galt für: Was sind die Laute?
    Er versuchte es mit einer anderen Frage: Wo spielt sich dies alles ab?
    Er durchsuchte seine durchnässten Kleider, fand jedoch in keiner der Taschen etwas. Er schaute nach einem Namensschildchen, das seiner Meinung nach in seinen Kragen eingenäht sein müsste, doch es war offenbar abgegangen. Er durchsuchte das kleine Boot, doch auch hier fand er keine Antwort. Also versuchte er sich vorzustellen, in dem fernen Verlies über den turmhohen Wellen zu sein, und in seiner Phantasie betrat er einen höhlenartigen Lagerraum voller Krimskrams und Unsinn und Erinnerungen, tief in der Burg vergraben… Doch er konnte keine Einzelheiten erkennen. Er schloss die Augen und weinte vor Wut und Enttäuschung, während das kleine Boot unter ihm schaukelte und bebte.
    Als er die Augen öffnete, hielt er einen kleinen Zettel in der Hand, auf dem das Wort FOHLS gedruckt stand. Er war so überrascht, dass er den Papierfetzen losließ; der Wind peitschte ihn davon in den dunklen Himmel über den schwarzen Wolken. Doch er hatte das Wort im Gedächtnis behalten. Fohls war die Antwort. Der Planet Fohls.
    Er fühlte sich erleichtert und ein wenig stolz. Er hatte etwas entdeckt.
    Was machte er hier?
    Beerdigung. Er glaubte sich an etwas zu erinnern, das mit einer Beerdigung zu tun hatte. Sicher war es nicht seine eigene gewesen.
    War er tot? Er dachte eine Zeit lang über diese Frage nach. Er vermutete, dass es möglich sein könnte. Vielleicht gab es schließlich doch eine Art Nachleben. Nun, wenn es ein Leben nach dem Tod gab, dann würde er etwas daraus lernen. War dieses Meer des Schmerzes eine göttliche Strafe? War das Licht eine Gottheit? Er tauchte die Hand über den Bootsrand in den Schmerz; er durchfuhr ihn, und er zog die Hand zurück. Ein grausamer Gott, wenn das wirklich der Fall war. Was war mit alledem, das er für die Kultur geleistet hatte?, wollte er fragen. Glich das nicht einiges des Bösen aus? Oder hatten diese geschniegelten, selbstzufriedenen Mistkerle auf der ganzen Linie Unrecht? O Gott, wie gern wäre er in der Lage gewesen, zurückzukehren und es ihnen zu sagen! Man stelle sich nur mal vor, was Sma für ein Gesicht machen würde!
    Doch er glaubte nicht, dass er tot war. Es war nicht seine eigene Beerdigung gewesen. Er erinnerte sich an den oben abgeflachten Turm auf der Klippe über dem Meer und daran, dass er geholfen hatte, den Leichnam eines alten Kriegers dorthin zu tragen. Ja, jemand war gestorben, und es hatte eine feierliche Beisetzung gegeben.
    Etwas nagte an ihm.
    Plötzlich umklammerte er die verfaulten Planken des Bootes und ließ den Blick hinaus über den wogenden Ozean schweifen.
    Dort war ein Schiff. Er sah das Schiff mit Unterbrechungen, in weiter Ferne. Kaum mehr als ein Punkt, und meistens waren die Wellen im Weg, aber es war ein Schiff. In seinem Innern schien sich ein Loch aufzutun, und seine Eingeweide fielen hindurch.
    Er glaubte, das Schiff zu erkennen.
    Dann brach das Boot auseinander, und er fiel durch den Riss, durch das Wasser darunter, dann kam er platschend an der Unterseite des Wassers heraus, wieder in Luft, und sah den Ozean unter sich, mit einem winzigen Fleck an der Oberfläche, auf den er zufiel. Es war ein weiteres kleines Boot; er stürzte krachend hindurch, durch noch mehr Wasser, durch noch mehr Luft, durch ein zerbrochenes Boot, durch eine weitere Schicht Wasser und eine weitere Schicht Luft…
    He – dachte ein Teil seines Geistes während des Fallens –, das entspricht Smas Beschreibung von der Wirklichkeit.
    … platschte

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