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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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geistige und körperliche Kraftproben veranstaltet; es gab gratis Blumen und komische Kappen und einen gut besuchten Komplimente-Stand, wo man einen winzigen Betrag bezahlte oder einen Papphut oder irgendetwas anderes hergab und dafür erfuhr, was für eine nette, angenehme, gute, bescheidene, ausgeglichene, unarrogante, zurückhaltende, zuverlässige, achtbare, gut aussehende, unterhaltsame, gutwillige Person man war.
    Er blickte auf all das hinab, die Brille in das zurückgebundene Haar hochgeschoben. Er wusste, wenn er dort unten wäre, mitten drin, würde er sich irgendwie davon abgesondert fühlen. Doch von diesem hohen, bevorzugten Platz aus konnte er hinunterblicken und die Leute als eine Masse mit verschiedenen Gesichtern sehen; sie war weit genug weg, um ein einheitliches Thema darzustellen, und nah genug, um mit ihren individuellen Harmonien eigene Variationen zu bieten. Sie amüsierten sich, hatten Grund zum Lachen oder Kichern, wurden ermutigt, sich zu betrinken oder sich albern zu benehmen, gebannt durch die Musik, etwas enthemmt durch die Atmosphäre.
    Er richtete sein Augenmerk besonders auf zwei Leute.
    Es waren ein Mann und eine Frau, die langsam durch die Straße spazierten und sich in alle Richtungen umsahen. Der Mann war groß und hatte dunkles, kurz geschnittenes Haar, das auf kunstvolle Weise unfrisiert und lockig war; er war geschmackvoll angezogen und trug eine kleine dunkle Mütze in der Hand; an der anderen baumelte eine Maske.
    Die Frau war fast genauso groß und schlanker. Sie war ähnlich wie der Mann gekleidet, in unauffälliges Dunkelgrau, mit einer Krause aus weißem Plissee um den Hals. Ihr Haar war schwarz, schulterlang und ziemlich glatt. Sie hatte eine Gangart, als ob sie von vielen Bewunderern beobachtet würde.
    Sie gingen nebeneinander her, ohne einander zu berühren; hin und wieder sprachen sie miteinander, wobei sie nur flüchtig den Kopf in die Richtung ihrer Begleitung neigten und dann beim Weitersprechen wieder auf die andere Seite blickten, vielleicht zu dem hin, von dem sie sprachen.
    Kurz darauf verschwanden die beiden Leute unter den Fahnen am anderen Ende der Straße; sie waren durch das fröhliche Treiben spaziert, ohne daran teilzunehmen.
    Das Straßenfest nahm seinen Lauf; es gab einen kleinen Regenschauer, der die Leute unter die Baldachine und die Überdächer und in einige der kleinen Häuser trieb, doch er ging schnell vorüber, und es kamen immer mehr Leute; kleine Kinder rannten mit leuchtenden Papierschlangen herum und wickelten bunte Bänder um Pfosten und Leute und Stände und Tische. Platzpatronen explodierten und stießen Rauchwolken farbiger Düfte aus, und lachende und hustende Leute taumelten herum, schlugen einander auf den Rücken und schrien zu den lachenden Kindern hin, die dieses Zeug knallen ließen.
    Er zog sich vom Fenster zurück, da er das Interesse verlor. Er saß eine Weile in dem Zimmer, auf einer alten Truhe im Staub zusammengekauert, sich nachdenklich das Kinn reibend und nur kurz aufblickend, wenn ein aufwärts treibendes Knäuel von Ballons am Fenster vorbeischwebte. Er schob die dunkle Brille herunter. Durch die Gläser betrachtet sahen die Ballons kein bisschen anders aus.
    Er ging die schmalen Stufen hinunter, wobei seine Stiefel auf dem alten Holz klackten; er nahm den alten Regenmantel von einem Haken am Fuß der Treppe und schlüpfte durch eine Hintertür hinaus in eine andere Straße.
    Der Fahrer setzte den Wagen in Bewegung, und er lehnte sich auf dem hinteren Sitz zurück, während sie an einer Reihe von alten Gebäuden vorbeirollten. Sie kamen ans Ende der Straße und bogen in eine steile Gasse ein, die rechtwinklig zu jener Straße verlief, in der das Fest stattfand. Sie glitten an einem langen dunklen Wagen vorbei, in dem der Mann und die Frau saßen.
    Er drehte sich um. Der dunkle Wagen folgte ihnen.
    Er wies den Fahrer an, die Geschwindigkeitsbeschränkung zu überschreiten. Sie rasten los, und der Wagen, der sie verfolgte, tat das Gleiche. Er beobachtete, wie draußen die Stadt vorbeihuschte. Sie jagten durch einige der ehemaligen Regierungsviertel; die massigen Bauten waren grau und üppig verziert mit Wasserspeiern, die aus der Mauer ragten, und Wasserrinnen; kunstvolle Muster aus Wasser flossen in senkrechten Wellen mit einem eleganten Fall wie Theatervorhänge an den Wänden herab. Es gab einiges Unkraut, aber weniger, als er erwartet hätte. Er konnte sich nicht erinnern, ob man die Wasserwände im Winter zufrieren

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