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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Sie weder ein Krüppel noch geistig anomal geworden sind. Der Rest ist Zufall. Ich wurde mit der Freiheit, ich selbst zu sein, ins Dasein gerufen. Ist es meine Schuld, wenn eine Mehrheit – eine Mehrheit, hören Sie, nicht die Gesamtheit – eines einzigen BU-Zulassungsausschusses entschied, das, was der allgemeine Plan und dieser spezifische Zufall hervorgebracht haben, eigne sich nicht für sie?«
    »Nein«, seufzte Gurgeh und senkte den Blick.
    »Oh, wie ist doch alles in der Kultur so wundervoll, Gurgeh! Niemand verhungert, und niemand stirbt an einer Krankheit oder durch eine Naturkatastrophe, und nichts und niemand wird ausgebeutet, aber es gibt immer noch Glück und Herzweh und Freude, es gibt immer noch Zufälle und Vorteile und Nachteile.«
    Der Roboter hing über dem Abgrund und der erwachenden Ebene. Die Morgendämmerung des Orbitals kroch über den Rand der Welt. »Packen Sie Ihr Glück, Gurgeh! Nehmen Sie, was ich Ihnen anbiete! Lassen Sie uns beide dieses eine Mal den Zufall steuern! Sie wissen bereits, dass Sie einer der besten in der Kultur sind. Ich versuche nicht, Ihnen zu schmeicheln, das wissen Sie. Aber dieser Sieg würde Ihren Ruhm für immer blühen lassen.«
    »Wenn es möglich ist…«, begann Gurgeh und verstummte wieder. Sein Unterkiefer verkrampfte sich. Der Roboter erkannte, dass er die Beherrschung auf die gleiche Weise zu bewahren versuchte, wie er es vor sieben Stunden auf der Treppe zu Hafflis’ Haus getan hatte.
    »Wenn es nicht möglich ist, haben Sie wenigstens den Mut, es zu wissen.« Mawhrin-Skels Stimme drückte ein Höchstmaß an Flehen aus.
    Der Mann hob den Blick zu den klaren Blau-Rosa-Tönen der Morgendämmerung. Die Ebene mit ihren wirren Nebelfeldern sah wie ein großes zerwühltes Bett aus. »Sie sind verrückt, Roboter. Das würden Sie niemals schaffen.«
    »Ich weiß, was ich kann, Jernau Gurgeh.« Der Roboter wich wieder ein Stück zurück, hing in der Luft, betrachtete ihn.
    Gurgeh dachte daran, wie ihn gestern Vormittag im Zug diese köstliche Furcht überflutet hatte. Jetzt kam ihm dies wie ein Omen vor.
    Nichts als Glück, nichts als Zufall.
    Er sagte sich, der Roboter habe Recht. Er sagte sich, er habe Unrecht, aber er habe auch Recht. Alles hing von ihm selbst ab.
    Er lehnte sich gegen die Balustrade. Etwas in seiner Tasche drückte sich ihm gegen die Brust. Er fühlte danach, zog die Scheibe für die verborgene Figur hervor, die er als Andenken nach dem katastrophalen Besitz-Spiel mitgenommen hatte. Er drehte das Plättchen ein paar Mal in den Händen. Er sah zu dem Roboter hin, und plötzlich kam er sich sehr alt und gleichzeitig sehr kindlich vor.
    »Wenn«, erklärte er langsam, »irgendetwas schief geht, wenn herauskommt, was Sie getan haben – dann bin ich tot. Ich werde mich umbringen. Gehirntod, vollständig und endgültig. Keine Überreste.«
    »Es wird nichts schief gehen. Für mich ist es die einfachste Sache der Welt herauszufinden, was in diesen Kugeln ist.«
    »Aber wenn Sie ertappt werden? Wenn hier irgendwo ein BU-Roboter ist oder die Nabe zusieht?«
    Der Roboter schwieg eine Weile. »Sie hätten es inzwischen gemerkt. Ich habe es bereits getan.«
    Gurgeh öffnete den Mund zum Sprechen, doch der Roboter kam schnell näher und fuhr ruhig fort: »Um meiner selbst willen, Gurgeh… um meines Seelenfriedens willen. Ich wollte es ebenfalls wissen. Ich bin vor langer Zeit zurückgekommen, ich habe die letzten fünf Stunden richtig fasziniert zugesehen. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen herauszufinden, ob es möglich ist… Um ehrlich zu sein, ich weiß es immer noch nicht; das Spiel geht über meinen Horizont, es ist zu überkompliziert für die Art, wie mein armes, zielverfolgendes Gehirn konstruiert ist… aber ich musste versuchen, es herauszufinden. Ich musste einfach. Sie sehen also, ich bin das Risiko bereits eingegangen, Gurgeh, die Tat ist getan. Ich kann Ihnen sagen, was Sie wissen müssen… Und ich verlange nichts dafür, das überlasse ich ganz Ihnen. Vielleicht können Sie eines Tages etwas für mich tun, es besteht für Sie jedoch keine Verpflichtung. Glauben Sie mir, bitte, glauben Sie mir. Keine Verpflichtung. Ich tue das, weil ich sehen möchte, wie Sie es schaffen – wie irgendwer es schafft.«
    Gurgehs Mund war trocken. Er hörte jemanden in der Ferne rufen. Der Terminal-Knopf an der Schulter seiner Jacke piepte. Er holte Atem, um hineinzusprechen. »Ja?«
    »Bist du bereit zum Weiterspielen, Jernau?«, erklang

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