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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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bereits geschlossen, aber er schloss sie erneut.
    Er schwankte im Kreis, ohne es zu wissen.
    Lügen; er weinte und schrie, warf sich dem verachtungsvollen Mädchen zu Füßen.
    Lügen; er kreiste weiter.
    Lügen; er fiel dem Mädchen zu Füßen, mit ausgestreckten Händen nach einer Mutter greifend, die nicht da war.
    Lügen.
    Lügen.
    Lügen; er kreiste weiter, zeichnete sein eigenes privates Symbol zwischen seinem Kopf und dem taghellen Loch, das der Rauchabzug des Zeltes war, in die Luft.
    Er sank wieder auf den Planeten zu, doch das Mädchen in dem schwarzen/weißen Zelt streckte die Hand nach ihm aus und wischte ihm über die Stirn, und in diesem winzigen Moment schien sie sein Dasein wegzuwischen…
    (Lügen.)
     
    … Erst eine geraume Zeit später fand er heraus, dass er den Erwählten nur deshalb zum Palast gebracht hatte, weil die Missgeburt der letzte Spross der Sippe sein sollte. Da er nicht nur blöd, sondern auch impotent war, zeugte der Erwählte weder kräftige Söhne noch kluge Töchter – was die Kultur schon immer gewusst hatte –, und die zänkischen Wüstenstämme fielen ein Jahrzehnt später über sie her, angeführt von einer Matriarchin, die die meisten der Krieger unter ihrem Befehl durch die Traumblattzeit geleitet und gesehen hatte, wie einer von ihnen, der stärker und fremdartiger war als alle anderen, seine Wirkung erlitten und es unbeschadet, aber auch unerfüllt überstanden hatte, und die durch diese Erfahrung wusste, dass mehr hinter ihrem Wüstendasein steckte, als die Mythen und Überlieferungen der Ältesten ihres Nomadenstammes erahnen ließen.

 
DRITTER TEIL
ERINNERUNG

 
Zehn
     
     
    Er liebte das Plasmagewehr. Er war ein Künstler im Umgang damit; er konnte Bilder der Zerstörung malen, Symphonien der Vernichtung komponieren, Elegien der Ausrottung schreiben, wenn er diese Waffe einsetzte.
    Er stand da und dachte darüber nach, während tote Blätter um seine Beine wirbelten und die uralten Steine das Antlitz dem Wind darboten.
    Es war ihnen nicht gelungen, den Planeten zu verlassen. Die Kapsel war angegriffen worden – von irgendetwas. Nach der Art des Schadens konnte er nicht beurteilen, ob es sich um eine Strahlenwaffe gehandelt hatte oder um eine Art Raketensprengkopf, der in der Nähe explodiert war. Was immer es gewesen sein mochte, es hatte sie jedenfalls lahm gelegt. Er hatte sich in jenem Moment gerade an die Außenseite der Kapsel geklammert, und zwar glücklicherweise auf der Seite, die gegen das, was immer sie getroffen haben mochte, abgeschirmt war. Wenn er sich auf der anderen Seite befunden hätte, dem Strahl oder Sprengkopf ausgesetzt, hätte das seinen Tod bedeutet.
    Sie mussten außerdem von irgendeiner groben Effektorwaffe getroffen worden sein, denn das Plasmagewehr war offenbar durchgebrannt. Es war zwischen seinem Anzug und der Außenhaut der Kapsel eingebettet gewesen und konnte keinesfalls davon beeinflusst worden sein, was die Kapsel selbst zerstört hatte, doch die Waffe hatte geraucht und war heiß geworden, und als sie endlich gelandet waren - Beychae zitternd, aber unverletzt – und die Prüfklappen des Gewehrs öffneten, fanden sie darin ein geschmolzenes, noch warmes Durcheinander.
    Wenn er vielleicht etwas weniger Zeit dafür aufgewendet hätte, Beychae zu überzeugen, wenn er den alten Knaben vielleicht einfach niedergeschlagen und das Gespräch auf später verschoben hätte… Er hatte sich zu viel Zeit genommen, hatte den anderen zu viel Zeit gelassen. Sekunden zählten. Verdammt, Millisekunden, Nanosekunden zählten. Es hatte zu lange gedauert.
     
    »Sie werden dich umbringen!«, schrie er. »Sie wollen dich entweder auf ihrer Seite haben oder tot. Der Krieg wird in Kürze ausbrechen, Tsoldrin; wenn du sie nicht unterstützt, wirst du einen Unfall haben. Sie werden es nicht zulassen, dass du neutral bleibst.«
    »Wahnsinniger«, wiederholte er, während er Ubrel Shiols Kopf in den Händen wiegte. Speichel tröpfelte aus dem Mund der Frau. »Du bist wahnsinnig, Zakalwe. Wahnsinnig.« Er begann zu weinen.
    Er ging zu dem alten Mann, ließ sich auf ein Knie nieder und hielt ihm die Waffe hin, die er Shiol abgenommen hatte. »Tsoldrin, was glaubst du, wofür sie dieses Ding hier hatte?« Er legte dem Alten die Hand auf die Schulter. »Hast du nicht gesehen, wie sie sich bewegt hat, als sie versuchte, mir einen Fußtritt zu versetzen? Tsoldrin, Bibliothekarinnen, wissenschaftliche Assistentinnen – sie bewegen sich einfach nicht so.«

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