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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Er streckte den Arm aus und klopfte den Kragen der bewusstlosen Frau wieder flach und sauber. »Sie gehörte zu deinen Gefängniswärtern, Tsoldrin; wahrscheinlich wäre sie die Vollstreckerin deines Todesurteils gewesen.« Er griff unter den Wagen, zog den Blumenstrauß hervor und legte ihn sanft unter ihren blonden Kopf, wobei er gleichzeitig Beychaes Hände wegschob.
    »Tsoldrin«, sagte er. »Wir müssen verschwinden. Für sie wird gesorgt werden.« Er legte Shiols Arme in eine weniger verdrehte Stellung. Sie lag bereits auf der Seite, also würde sie nicht ersticken. Er schob die Hände behutsam unter Beychaes Arme und zog den alten Mann langsam auf die Beine. Ubrel Shiols Augen öffneten sich flackernd; als sie die beiden Männer vor sich sah, murmelte sie etwas und hob eine Hand nach hinten ins Genick. Sie rollte sich schwerfällig herum, offenbar ziemlich angeschlagen; die Hand, die sich zum Genick erhoben hatte, senkte sich wieder und umklammerte einen kleinen Zylinder, der wie ein Kugelschreiber aussah. Er spürte, wie sich Beychae versteifte, als die junge Frau aufblickte und versuchte, während sie seitwärts kippte, die Spitze des kleinen Lasers auf Beychaes Kopf zu richten.
     
    Beychae sah über den Laserstift hinweg in ihre dunklen, halb verdrehten Augen und verspürte ein Gefühl der Abscheu und der inneren Distanz. Das Mädchen bemühte sich mit aller Kraft, vollends zu sich zu kommen, und zielte auf ihn. Nicht auf Zakalwe, dachte er. Auf mich! Mich!
    »Ubrel…«, setzte er an.
    Das Mädchen fiel ohnmächtig wieder zurück.
    Beychae starrte hinunter auf ihren Körper, der schlaff auf der Straße lag. Dann hörte er, dass jemand seinen Namen rief, und spürte, wie ihn jemand am Arm zog.
    »Tsoldrin… Tsoldrin… Komm, Tsoldrin!«
    »Zakalwe, sie hat auf mich gezielt, nicht auf dich!«
    »Ich weiß, Tsoldrin.«
    »Sie hat auf mich gezielt.«
    »Ich weiß. Komm jetzt, hier ist die Kapsel.«
    »Auf mich.«
    »Ich weiß, ich weiß. Steig ein!«
     
    Er beobachtete die grauen Wolken, die über ihm dahinzogen. Er stand auf dem mit Steinen gepflasterten Gipfelplateau eines hohen Hügels, umgeben von anderen Gipfeln, die fast ebenso hoch und ausnahmslos mit Bäumen bewachsen waren. Er ließ den Blick missmutig über die bewaldeten Hänge schweifen sowie über die seltsamen verstümmelten Steinsäulen und Sockel, die auf der Plattform um ihn herum verstreut waren. Ihm war schwindelig, da er nach seinem langen Aufenthalt in der Schlucht-Stadt sich zur Abwechslung wieder mit einem so weiten Horizont konfrontiert sah. Er verließ den Aussichtspunkt und scharrte sich einen Weg durch einige vom Wind aufgehäufte Blätter, dorthin zurück, wo Beychae saß, neben dem Plasmagewehr. Die Kapsel war hundert Meter weit weg, verborgen zwischen den Bäumen.
    Er nahm das Plasmagewehr zum fünften oder sechsten Mal in die Hand und untersuchte es.
    Es erweckte in ihm den Drang zu weinen; es war eine so schöne Waffe. Jedes Mal, wenn er es aufhob, hoffte er, dass es wieder in Ordnung wäre, dass die Kultur es mit irgendeiner Selbstreparatureinrichtung ausgestattet hätte, ohne ihm davon etwas zu sagen, dass der Schaden nicht mehr…
    Der Wind blies kräftiger, die Blätter stoben auf. Er schüttelte entmutigt den Kopf. Beychae, der in seiner dick wattierten Hose und der langen Jacke dasaß, wandte sich ihm zu.
    »Kaputt?«, fragte der alte Mann.
    »Kaputt«, sagte er. Sein Gesicht nahm einen ärgerlichen Ausdruck an; er umfasste das Gewehr mit beiden Händen an der Mündung und schwang es über seinem Kopf im Kreis; dann ließ er es los und schleuderte es in die Bäume weiter unten am Hang. Es verschwand in einer Wolke aufwirbelnder Blätter.
    Er ließ sich neben Beychae nieder.
    Damit war das Plasmagewehr weg und nur noch eine Pistole übrig; es gab nur noch einen Anzug und wahrscheinlich keine Möglichkeit, die Antigravitationsvorrichtung des Anzugs zu benutzen, ohne ihren Standpunkt zu verraten; die Kapsel war zerstört, das Modul nirgends zu sehen; kein Wort kam von dem Terminal-Ohrring oder dem Anzug selbst… Es war ein erbärmliches Chaos. Er untersuchte den Anzug, ob er vielleicht irgendwelche Sendesignale auffing. Der Armbandbildschirm zeigte einen allgemeinen Nachrichtenüberblick; nichts über Solotol, stattdessen Berichte über einige begrenzte kriegerische Auseinandersetzungen im Sternhaufen.
    Auch Beychae blickte zu dem kleinen Bildschirm. »Kannst du mir anhand dessen sagen, ob man nach uns sucht?«, fragte

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