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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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könntest, und vielleicht suchen alle verzweifelt nach einem Vorwand, um nicht kämpfen zu müssen; du könntest durch dein Auftreten diesen Vorwand liefern, da du von den Ereignissen der jüngsten Zeit nicht vergiftet bist – wie von den Toten auferstanden –, und einen Kompromiss ermöglichen, bei dem alle das Gesicht wahren könnten.
    Oder vielleicht hält die Kultur ein kleines, kurzes Scharmützel für eine gute Idee, oder vielleicht wissen sie sogar, dass sie einen Krieg insgesamt nicht aufhalten können, aber sie wollen dastehen wie jemand, der etwas getan hat, auch wenn es sich als Fehlschlag erweist, um sich nicht hinterher fragen lassen zu müssen: Warum habt ihr dieses und jenes nicht wenigstens versucht!« Er zuckte die Achseln. »Ich versuche bestimmt nicht, die Kultur zu kritisieren, und schon gar nicht die Leute von Kontakt und noch viel weniger die Sektion ›Besondere Umstände‹.«
    »Du vertrittst also lediglich nach außen deren Standpunkt?«
    »Und kassiere ordentlich dafür.«
    »Aber du bist doch der Ansicht, dass du auf der Seite des Guten stehst, oder, Cheradenine?«
    Er lächelte und setzte sich auf den Steinsockel, wo er die Beine baumeln ließ. »Ich habe keine Ahnung, ob sie die Guten sind oder nicht, Tsoldrin. Sie erscheinen zweifellos so, doch wer weiß, ob Schein Sein ist?« Er runzelte die Stirn und sah weg. »Ich habe nie erlebt, dass sie grausam waren, auch wenn sie vielleicht behaupteten, jede Entschuldigung dafür zu haben. Das lässt sie vielleicht manchmal kaltblütig erscheinen.« Er zuckte wieder die Achseln. »Aber es gibt Leute, die einem erklären, dass es immer die schlechten Götter sind, die die schönsten Gesichter und die sanftesten Stimmen haben. Scheiße«, sagte er und sprang von dem Steinpodest. Er ging zu der Brüstung, die das ehemalige Observatorium auf der einen Seite begrenzte, und sah zum Horizont, wo sich der Himmel allmählich rot färbte. In einer Stunde würde es dunkel sein. »Sie halten ihre Versprechen, und sie zahlen Super-Honorare. Es sind ausgezeichnete Arbeitgeber, Tsoldrin.«
    »Das heißt nicht, dass wir sie über unser Schicksal bestimmen lassen sollten.«
    »Wäre es dir lieber, die dekadenten Hohlköpfe unter den Regierungsgewaltigen würden das besorgen?«
    »Zumindest sind sie beteiligt, Zakalwe; für sie ist es nicht nur ein Spiel.«
    »Oh, das glaube ich doch. Ich glaube, genau das ist es für sie. Der Unterschied ist, dass sie, im Gegensatz zu den Gehirnen innerhalb der Kultur, es nicht verstehen, Spiele ernst zu nehmen.« Er holte tief Luft und beobachtete, wie der Wind an den Zweigen unter ihnen rüttelte; Blätter wurden davongeweht. »Tsoldrin, erzähl mir nicht, dass du auf deren Seite stehst.«
    »Mit den Seiten war es schon immer eine seltsame Sache«, entgegnete Beychae. »Wir alle haben behauptet, nichts anderes zu wollen als das Beste für den Sternhaufen, und ich glaube, wir alle haben es auch so gemeint, wenigstens zum größten Teil. Wir wollen noch immer nichts anderes. Aber ich weiß nicht, welches der richtige Weg ist; manchmal denke ich, ich weiß zu viel, ich habe zu viel gelernt, erinnere mich an zu viel. Alles scheint sich irgendwie aneinander anzupassen, als ob Staub alles mit einer gleichmäßigen Schicht bedeckte… Bei allem gibt es Argumente dafür und dagegen, Präzedenzfälle für jede mögliche Handlungsweise… Also tut man letztendlich gar nichts. Vielleicht ist das ganz richtig so, vielleicht erfordert das die Evolution, um das Feld für die jüngeren, unbelasteten Gehirne zu räumen, jene, die keine Angst haben zu handeln.«
    »Okay, es herrscht also ein Gleichgewicht. Alle Gesellschaftsformen sind so; die beschwichtigende Hand des Alters und das Feuer der Jugend wirken zusammen. Es regelt sich durch den Generationenwechsel oder durch den Aufbau von Institutionen sowie deren Veränderung oder gar Ablösung; aber die obersten Regierungsgewaltigen, die Humanisten, vereinen in sich den schlimmsten Teil beider Strömungen. Uralte grausame, abartige Gedanken, gepaart mit pubertärem Kriegswahn. Das ist übelste Mischung, Tsoldrin, und du weißt es. Du hast dir das Recht auf eine gewisse Muße verdient, das bestreitet niemand. Aber das hindert dich nicht daran, dich schuldig zu fühlen, wenn – nicht falls – das Schlechte kommt. Du hast die Macht, Tsoldrin, ob es dir gefällt oder nicht; auch reines Nichtstun ist eine Meinungsäußerung, begreifst du das nicht? Welchen Wert hat all dein Lernen, dein Wissen,

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