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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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von Stegen und zierlichen Brücken, und ein schmaler Wasserlauf floss durch die untere Spitze des V. Leute saßen in kleinen Innenhöfen an Tischen, rasteten im Gras am Flussufer oder auf den Polstern und Couchen der Cafés und Bars auf den Terrassen. Über der Mitte der Schlucht hängend, unter einem strahlend blauen Himmel, schlängelte sich eine Wanderröhre auf das weit entfernte Ende zu, der Wellenlinie des Tales folgend. Unter der Röhre brannte ein Streifen unechten Sonnenlichts, wie ein gewaltiges Leuchtband.
    »Hmm?«, sagte Diziet Sma, die mit zwei Drinks neben ihm aufkreuzte und ihm einen davon reichte.
    »Sie sind zu groß.« Er wandte sich zu der Frau um. Er hatte die Räume gesehen, die sie ›Feldkammern‹ nannten, wo kleinere Raumschiffe gebaut wurden – kleiner bedeutete in diesem Fall über drei Kilometer lang –, riesige Hangars mit dünnen Wänden und ohne Stützen. Er war den riesigen Maschinen ziemlich nahe gekommen, die, soweit er es einschätzte, massiv und unzugänglich sein mussten (wie war das möglich?) und offensichtlich ungeheuer wuchtig. Er war seltsam beunruhigt durch die Entdeckung, dass es keinen Kontrollraum gab, keine Brücke, kein Flugdeck, nirgendwo auf dem ganzen großen Gefährt, sondern nur drei Gehirne – offenbar aufwändige Computer –, die alles steuerten (was?).
    Und jetzt kam er dahinter, wo die Leute lebten, aber irgendwie war das alles zu groß, zu viel, zu fadenscheinig, besonders wenn das Schiff tatsächlich so rasant beschleunigen sollte, wie Sma behauptet hatte. Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe es einfach nicht; wie hält das Ganze zusammen?«
    Sma lächelte. »Denk doch mal nach, Cheradenine. Es geschieht alles mit Kraftfeldern.« Sie streckte eine Hand zu seinem besorgten Gesicht aus und tätschelte ihm die Wange. »Schau doch nicht so verwirrt drein. Und versuche nicht, das alles zu schnell zu begreifen. Lass es einsickern. Wandere herum, gehe ein paar Tage lang ganz darin auf. Kehre zurück, wann immer es dir beliebt.«
     
    Später machte er sich auf die Wanderschaft. Das riesige Schiff war ein verzauberter Ozean, in dem man niemals ertrinken konnte, und er stürzte sich hinein in dem Bemühen, wenn schon nicht es selbst, so zumindest die Leute zu begreifen, die es gebaut hatten.
    Er wanderte tagelang umher und machte an Bars oder Restaurants Halt, wann immer er durstig, hungrig oder müde war; die meisten waren automatisch, und er wurde von kleinen schwebenden Tabletts bedient, obwohl es auch ein paar wenige gab, die echte Menschen als Personal hatten. Sie machten nicht so sehr den Eindruck von Bedienungen, sondern vielmehr von Kunden, die es übernommen hatten, eine Weile auszuhelfen.
    »Natürlich brauche ich das nicht zu tun«, erklärte ein Mann mittleren Alters, der den Tisch sorgfältig mit einem feuchten Tuch säuberte. Er schob das Tuch in einen kleinen Beutel und setzte sich neben ihn. »Aber sehen Sie, dieser Tisch ist sauber.«
    Er bestätigte, dass der Tisch sauber war.
    »Normalerweise«, fuhr der Mann fort, »arbeite ich in dem Bereich fremdweltliche – das soll keine Beleidigung sein – fremdweltliche Religionen, Schwerpunkt Religiöses Brauchtum, das ist meine Spezialität… Also wenn zum Beispiel Tempel oder Gräber oder Betende immer derselben Himmelsrichtung zugewandt sein müssen – diese Art Sachen. Na ja, ich katalogisiere, werte aus, vergleiche; ich stelle Theorien auf und diskutiere mit Kollegen, hier und anderswo. Aber… die Arbeit ist nie vollends getan, es gibt immer wieder neue Beispiele, und selbst die alten werden revidiert, und neue Leute kommen mit neuen Ideen daher über Dinge, die man längst als erledigt betrachtet hatte – aber…« Er schlug auf den Tisch. »… wenn man einen Tisch putzt, dann putzt man einen Tisch. Man hat das Gefühl, etwas getan zu haben. Es ist eine Leistung.«
    »Aber letztendlich ist es eben nichts anderes, als das Putzen eines Tisches.«
    »Und hat deshalb keine Bedeutung für die kosmische Skala der Ereignisse?«, sagte der Mann.
    Er lächelte als Antwort auf das Grinsen des Mannes. »Nun – ja.«
    »Doch andererseits – was hat schon Bedeutung? Meine andere Arbeit? Ist das vielleicht wichtig? Ich könnte versuchen, herrliche Musikwerke zu komponieren oder unterhaltsame epische Ergüsse von mir zu geben, doch was wäre damit erreicht? Dass die Leute unterhalten werden? Es bereitet mir Vergnügen, den Tisch zu putzen. Und die Leute setzen sich an einen sauberen Tisch, was

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