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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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dröhnten.
    »Meine Herren«, (flüsterte er dem grellen blauen Himmel zu), »ich werde an etwas Wohllöbliches erinnert, das Sma über das Thema Heldentum einmal zu mir gesagt hat und das etwa so lautete: ›Zakalwe, in allen menschlichen Gesellschaftsformen, die wir je unter die Lupe genommen haben, in jedem Zeitalter und in jedem Staat, bestand kaum jemals Mangel an eifrigen jungen Männern, die bereit waren zu töten und zu sterben, um die Sicherheit, die Bequemlichkeit und die Vorurteile ihrer Eltern zu bewahren, und was du Heldentum nennst, ist nichts anderes als diese Tatsache, dass Idioten niemals knapp werden.‹« Er seufzte. »Nun, zweifellos hat sie nicht jedes Zeitalter und jeder Staat gesagt, denn die Kultur liebt es, zu jeder Regel die Ausnahmen zu sehen, aber… das war die wesentliche Botschaft… glaube ich…«
    Er rollte sich herum, weg von dem schmerzend blauen Himmel, um den verschwommenen Staub anzusehen.
    Schließlich schob er sich zögernd auf die andere Seite, dann richtete er sich halb auf, erhob sich auf die Knie, umklammerte die Zeltstab-Krücke und stützte sich damit ab und kam endlich auf die Beine, ohne auf die quälenden Schmerzen zu achten; er taumelte zu dem Steinhaufen, der einmal die Mauer gewesen war, und schaffte es irgendwie, sich nach oben zu ziehen und zu hieven und zu scharren, wo die Mauer ein Stück weit glatt und breit verlief, wie eine Straße in den Himmel; darauf lagen die Leichen von etwa einem Dutzend Soldaten, umgeben von Blutpfützen, und die Brustwehr um sie herum war verschrammt von Einschüssen und grau vor Staub.
    Er taumelte auf sie zu, als ob er es gar nicht erwarten könnte, einer von ihnen zu werden. Er suchte den Himmel nach dem Modul ab.
    Es dauerte eine Weile, bis sie das ›Z‹ ausmachten, das er mit den Leichen auf der oberen Fläche der Mauer auslegte, aber in jener Sprache war das ein komplizierter Buchstabe, und er kam immer wieder durcheinander.

 
I
     
     
    Auf der Staberinde brannten keine Lichter. Sie kauerte in der falschen Morgendämmerung; ihre düstere Silhouette zeigte sich als kegelförmiger Haufen, der nur einen schwachen Hinweis gab auf die konzentrischen Schlaufen und Linien ihrer Gefechtsdecks und Kanonen. Der Nebel in den Marschen zwischen ihm und dem Stufenturm des Schiffes hatte die Wirkung, dass die schwarze Form keine Berührung mit dem Land zu haben, sondern darüber zu schweben schien, in ausgewogener Balance wie eine bedrohliche dunkle Wolke.
    Er blickte mit müden Augen, stand auf müden Füßen. So nah an der Stadt und dem Schiff konnte er das Meer riechen und – da seine Nase dem Beton des Bunkers sehr nah war – den Geruch von Kalk, beißend und bitter. Er versuchte, sich an den Garten und den Duft von Blumen zu erinnern, so wie er es manchmal zu tun pflegte, wenn an irgendeinem Punkt der Kampf zu absurd und grausam zu werden schien, um noch irgendeinen Sinn zu haben, doch diesmal gelang es ihm nicht, diesen schwach erinnerten, trügerisch durchdringenden Duft heraufzubeschwören oder sich irgendetwas Schönes ins Gedächtnis zu rufen, das dieser Garten hervorgebracht hatte. Stattdessen sah er wieder jene sonnengebräunten Hände auf den blassen Hüften seiner Schwester, den lächerlichen kleinen Stuhl, den sie sich für ihre Unzucht ausgesucht hatten… Und er erinnerte sich an das letzte Mal, als er den Garten gesehen hatte, das letzte Mal, als er das Anwesen besucht hatte; mit dem Panzerkorps, und als er das Chaos und den Ruin erkannt hatte, die Elethiomel über diesen Ort gebracht hatte, der ihrer beider Wiege gewesen war; das große Haus ausgeweidet, das Steinboot ein Wrack, der Wald verbrannt… und sein letzter Blick auf das hassenswerte kleine Sommerhaus, wo er sie überrascht hatte, als er seine persönliche Vergeltungsmaßnahme gegen die Tyrannei der Erinnerung vornahm; der unter ihm schaukelnde Panzer, die bereits in Flammen stehende Lichtung, die grell aufloderte, der klingelnde Ton in seinen Ohren, der kein Ton war; und das kleine Haus… war immer noch da; der Schuss war durch es hindurchgedrungen, war irgendwo im Wald dahinter detoniert, und er hatte weinen und schreien wollen und alles mit bloßen Händen einreißen… Doch dann hatte er sich an den Mann erinnert, der dort gesessen hatte, und er hatte sich überlegt, wie dieser sich wohl in einer solchen Situation verhalten hätte, und so brachte er die Kraft auf, darüber zu lachen, und er befahl dem Schützen, auf die oberste Stufe unter dem kleinen

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