Das Labyrinth der Zeit
gelangen.
38
Es dauerte neunzig Sekunden. Als alles getan war, ließ er das Messer fallen und rannte den Hang hinauf, zurück zu dem Minenzugang. Nachdem er den anderen zugerufen hatte, dass die Luft rein war und sie herauskommen konnten, kehrte er zu den Humvees zurück und startete einen davon.
Als sie hangabwärts zwischen den Bäumen herausrollten, sahen sie, dass es unten in der Stadt von Polizeifahrzeugen nur so wimmelte. Normale Streifenwagen, Geländewagen und Pick-ups, alle mit angeschaltetem Blaulicht, das rot und blau im trüben Tageslicht unter dem bezogenen Himmel flackerte. Der kräftige Hüne in dem ersten Humvee hatte sie herbestellt, als Verstärkung, um die Stadt genau nach ihnen durchkämmen zu lassen.
Travis machte auf der schmalen Straße unweit von Raines’ Haus halt und brachte den Schalthebel in Parkstellung. Er schaltete das Funkgerät an, das am Armaturenbrett angebracht war, und hörte eine Männerstimme herausdringen:
«– ob Sie Hilfe benötigen, bitte melden Sie sich bei uns, over .»
Danach war erst länger ein Rauschen zu hören, bis sich derselbe Mann wieder vernehmen ließ: «Ich wiederhole, an alle zivilen Einheiten, hier California Highway Patrol, bitte melden. Ich sehe gerade eins Ihrer Fahrzeuge, unten am Waldrand.»
«Sie haben die Schießerei gehört», sagte Paige.
Travis nickte. «Und ihre Funksignale erreichen offenbar niemanden auf der anderen Seite des Gebirgskamms.»
Er nahm das Handmikrophon von dem Funkgerät und drückte auf die Sprechtaste. «Highway Patrol und alle übrigen Polizeieinheiten, halten Sie sich vorläufig weiter in Bereitschaft. Keine Hilfe benötigt. Einheit ‹Echo›, kommen Sie zum Treffpunkt am Highway; wir haben eine Zielperson zur Vernehmung dabei, over .»
Er ließ die Taste los und schaltete das Funkgerät aus.
«Nett», kommentierte Dyer.
Travis, der am Steuer saß, nach wie vor in dem Anzug, der ihn unsichtbar machte, wandte sich um. Sah erst Dyer an, dann Paige und Bethany – was diese freilich nicht sehen konnten.
«Setzen Sie sich ans Steuer», sagte er zu Dyer. «Sie sehen genau aus wie die Sorte Mann, die so ein Monsterteil durch die Gegend fahren würde.»
Er kletterte aus dem Fahrersitz und wechselte nach hinten, wo Paige und Bethany den Wink bereits verstanden hatten und auf dem Sitz ganz nach unten gerutscht waren, um von außen nicht gesehen zu werden.
«Fahren Sie auf den ersten größeren Parkplatz, der uns begegnet», sagte Travis.
Fünf Minuten später. Sie waren auf dem Pacific Coast Highway nach Süden unterwegs, unter jetzt wieder wolkenlosem Himmel. Zu ihrer Rechten dehnte sich der Pazifik, während links grasbewachsene Hügel vorüberzogen, hin und wieder unterbrochen von Abschnitten, wo das Land flach und eben war, Schwemmebenen womöglich oder Ausläufer des Meeresbodens aus grauer Vorzeit. Meist waren dort nur landwirtschaftliche Gebäude und ähnliche vereinzelte Bauten zu sehen, aber Travis entsann sich, auf der Herfahrt in diesen Regionen auch die eine oder andere Kleinstadt gesehen zu haben.
Sie mussten unbedingt das Fahrzeug wechseln. Es stand zu vermuten, dass der Humvee mit einem LoJack-Spürsender oder etwas Ähnlichem versehen war, und sicherlich würde bald jemand anfangen, ihre Spur zu verfolgen. Die List, mit deren Hilfe sie aus der Stadt herausgekommen waren, hatte ihnen nur geringfügigen Aufschub verschafft. Nur wenige Minuten vermutlich.
Travis saß inzwischen auf dem Beifahrersitz. Er hatte das Anzugoberteil ausgezogen und hielt es zusammengeknüllt auf dem Schoß fest. Er warf einen Blick auf sein Handy. Viertel vor eins. Noch fünfeinhalb Stunden, bis Richard Garner den Freitod wählte.
Travis wandte sich Dyer zu. «Nur eine Rumpfbesatzung an Bord der Air Force One , sagen Sie?»
Dyer nickte. «Falls sie Gefangene foltern, werden sie wohl kaum das Pressekorps mit an Bord haben. Oder sonst jemanden, der nicht unbedingt für den Flugbetrieb benötigt wird.»
«Wenn es uns irgendwie gelingen würde, in die Nähe eines Flughafens zu kommen, wo die Maschine landet», sagte Travis, «wäre es mit diesem Anzug ein Kinderspiel, an Bord zu gelangen. So einfach wie Fischen mit Wasserbomben.»
Dyer erwiderte nichts darauf. Er zog stattdessen seinen BlackBerry aus der Jackentasche und öffnete eine Anwendung, während sein Blick unentwegt zwischen dem Display und der Straße vor ihm hin- und herhuschte. «Zwei Flugpläne», sagte er dann. «Der eine ist bereits überholt: Die Maschine
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