Das Labyrinth der Zeit
sein.
In irgendeinem Winkel seines Bewusstseins flackerte nach wie vor der Gedanke, wenn auch nur undeutlich und schwach, dass er Richard Garner retten musste.
Viel deutlicher, drängender, unüberhörbar wie eine Sirene, die ihm durch den Kopf gellte, war ein anderer Gedanke: Stuart Holt zu finden und mit ihm abzurechnen.
40
In einem Baumarkt ein Stück die Straße hinunter besorgte er sich einen weiteren Schraubenzieher, steckte ihn sich unter den Anzug und marschierte wieder hinaus. Danach rüstete er sich in einem Fachgeschäft für Jagdbedarf direkt gegenüber mit einem Überlebensmesser samt Futteral aus und knackte zuletzt einen Chevrolet Blazer, Baujahr 1993, mit getönten Scheiben. Nachdem er ihn kurzgeschlossen hatte, fuhr er auf dem Highway los in Richtung Süden.
Am Flughafen in Oakland konnte er vom Langzeitparkplatz aus mühelos erkennen, wo die Air Force One landen würde. Schon jetzt bildeten bullige Fahrzeuge der Autobahnpolizei eine Art halbkreisförmigen Kordon um das riesige Vorfeld auf der asphaltierten Rollbahn, weit abseits der übrigen Start- und Landebahnen. Polizeibeamte standen an den offenen Türen ihrer Einsatzwagen. Das Rauschen und Knacken ihrer Funkgeräte war in der Stille gut zu hören, wenn gerade keine Flugzeuge starteten.
Travis hatte das Futteral mit dem Messer am Bund seiner Hose befestigt, unter dem Anzug. Er spazierte mitten durch den Halbkreis der Polizeieinheiten hindurch, dicht genug, um das Ticken eines Autokühlers zu hören, der gerade auskühlte. Etwa zwanzig Meter entfernt stand ein FedEx-Flugzeug, in dessen Schatten er sich niederließ, um zu warten.
Gegen 15.20 Uhr landete ein schweres Transportflugzeug, Typ Lockheed C-5 Galaxy, und rollte weiter auf ein Vorfeld ganz in der Nähe. Die Rampe am Heck wurde ausgeklappt, und die Besatzung lud den großen, geräumigen Hubschrauber aus, der unter der Bezeichnung Marine One bekannt war. Nachdem noch ein zweiter Hubschrauber desselben Typs ausgeladen worden war, rollten die Männer einige hydraulische Spezialfahrzeuge heraus und machten sich an die Rückmontage der Rotorblätter, die für den Transport eingeklappt worden waren.
Schon ehe die Air Force One am Himmel zu sehen war, konnte Travis an der Körpersprache der Polizisten ablesen, dass ihre Landung unmittelbar bevorstand. Aus allen Funkgeräten zugleich drang knisternd eine kurze Durchsage, worauf sich aller Augen himmelwärts und nach Süden wandten.
Nachdem das riesige Flugzeug auf dem Vorfeld ausgerollt war, tat sich zunächst einmal nichts. Erst nach fünf Minuten fuhren Luftwaffenangehörige in Paradeuniform eine motorisierte Treppe an die Flugzeugtür heran, und einer von ihnen stieg die Stufen empor und postierte sich gleich links von der Tür in Habtachtstellung.
Die Tür wurde ein Stückchen zurückgezogen und schwang dann vollständig auf, ins schummrige Flugzeuginnere.
Zwei Männer in dunklem Anzug und mit Krawatte traten heraus und blieben auf der Plattform vor der Treppe stehen, wo der Wind heftig an ihren Haaren und Hosenbeinen zerrte, während sie ein paar Worte wechselten. Sie blickten kurz zu den Marines hinüber, die noch immer mit der Montage der Hubschrauber beschäftigt waren, und verschwanden dann wieder in der 747. Sonst tauchte niemand in der Tür auf. Der Soldat in der Paradeuniform stand weiter in starrer Haltung an seinem Posten.
Travis stand auf.
Er verließ seinen Platz unter dem FedEx-Flugzeug und ging hinüber zum Fuß der Treppe unter der Air Force One . In der Tür weiter oben war niemand zu sehen.
So lautlos wie möglich stieg er die Stufen hinauf.
Hellbrauner Teppichboden. Gemustert mit goldenen Sternen, die etwa keksgroß waren.
Hier an der Tür befand er sich in einer Art Engpass – einem Flur direkt hinter dem Cockpit, der nach achtern in größere Räumlichkeiten führte. Hier zu bleiben war zu riskant; falls ihm jemand entgegenkam, konnte er unmöglich beiseitehuschen. Er wagte einen raschen Blick nach vorn und sah zwei Piloten am Steuerpult sowie einen Navigator, eben noch zu sehen auf der rechten Seite. Travis wandte sich um und trat den Weg in den hinteren Teil des Flugzeugs an, um aus dem Flur herauszukommen.
Rumpfbesatzung, dieses Wort hatte Dyer benutzt. Das restliche Oberdeck hinter dem Cockpit war wie ausgestorben. Am hinteren Ende befanden sich ein kurzer Bereich mit Sitzen sowie eine Reihe kleiner Büros, deren offen stehende Türen innen an den Wänden arretiert waren. Alle
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