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Das Labyrinth der Zeit

Das Labyrinth der Zeit

Titel: Das Labyrinth der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Patrick
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schließlich geschah.

    Es fühlte sich an, als würde ein ganzer Güterwaggon auf ihn herabstürzen.
    Die Luft um ihn herum schien sich mit einem einzigen, ungeheuren Knall zu verfestigen und nach innen hin zu verdichten. Er sah, wie die Treppe unter ihm wackelte und vibrierte. Sah, wie eine Druckwelle mit einem Vakuum im Schlepptau rasend schnell den Schacht hinabraste. Gleich darauf folgte der Bass, der seinen gesamten Körper in ein Trommelfell verwandelte: Er hörte ihn mit den Knien, mit der Wirbelsäule, mit den Zahnfüllungen.
    Mit den Füßen voran sauste er auf den Treppenabsatz zu. Er riss beide Hände von seinen Ohren und nach vorn, um den drohenden Aufprall abzufangen. Dabei merkte er, wie ihm der Unsichtbarkeitsanzug herunterfiel, den er unter den einen Arm geklemmt hatte, und zwar in Richtung der Wand, wie er eben noch wahrnahm, nicht zur offenen Schachtmitte hin.
    Da prallte er auch schon mit solcher Wucht erneut gegen die Wand, dass seine Arme einknickten, seine Stirn schlug voll gegen sein Handgelenk an der Wand. Dann wurde es schwarz um ihn.

    Hände, die hektisch an seiner Schulter rüttelten.
    «Travis.»
    Er erkannte die Flüsterstimme: Paige.
    Er schlug die Augen auf. Grauweißer Betonstaub wirbelte in dichten Schwaden durch den Schacht. Drei Meter über ihm sah er etwas Breites, Rechteckiges, das über den Schachtrand ragte.
    Die grüne Tür. An den Rändern völlig verbogen und verbeult. Aus ihrem Rahmen in den Raum hineingeschleudert und nun mit etwa einem Viertel ihrer Masse über den Schachtrand hinwegragend.
    Travis sah Paige an. Ihre Augen schimmerten feucht, auf ihren Wangen waren Tränenspuren zu erkennen. Die ängstliche Besorgnis auf ihrem Gesicht aber schlug gerade sichtlich in Erleichterung um.
    Travis drehte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Blickte zu der Treppe hoch, über die er eben hinweggesprungen war. Kniete sich dann hin und fing an, hektisch mit beiden Händen auf dem Treppenabsatz und den untersten Stufen herumzutasten, ein paar Sekunden lang in der schrecklichen Sorge, dass die beiden Anzughälften vielleicht doch nicht dort gelandet waren. Vielleicht waren sie vom Luftzug erfasst worden und unter dem Geländer hindurchgerutscht – oder zwischen den Treppenstufen –, und dann in die Tiefen des Schachts hinuntergesegelt, wo sich die verflixten Teile wohl auch in einer Woche mühseliger Suche nicht würden ausfindig machen lassen.
    Dann entdeckte er sie: seltsame Partien klarer Luft inmitten der Staubschwaden, dicht nebeneinander auf halber Höhe der Treppe. Er richtete sich auf, lehnte sich vor und schnappte sich eilig beide Hälften. Nachdem er sich wieder auf den Treppenabsatz zurückgezogen hatte, sah er Paige und die beiden anderen an.
    «Ich werde sie draußen im Freien stellen», sagte Travis. «Das verschafft mir den besten Vorteil. Hier unten mit dem vielen Staub in der Luft wäre es nicht so günstig.»
    Er wandte sich um und ließ sich auf der zweitletzten Treppenstufe nieder, ertastete die Hose des Anzugs und fing an, sie überzustreifen. Dyer schnappte hörbar nach Luft, als wie von Zauberhand erst sein rechtes und dann sein linkes Bein verschwand.
    «Ihr drei postiert euch am besten oben in der Kammer, an geschützten Schusspositionen», sagte Travis. «Richtet eure Waffen auf den Durchgang. Die Losung ist dieselbe wie damals an den Thermopylen: Ihr knallt alles ab, was dort auftaucht.»
    Er schnallte seine MP5 vom Oberkörper los und reichte sie Dyer.
    Dyer schien kurz verwirrt. In der Annahme, Travis wolle mit ihm tauschen, zog er dann seine eigene Pistole aus dem Schulterholster und hielt sie ihm entgegen.
    Travis schüttelte den Kopf. «Danke, brauche ich nicht.»
    «Was wollen Sie denn benutzen?», fragte Dyer.
    «Etwas Leiseres», entgegnete Travis und streifte sich dann das Anzugoberteil über.

    Er stieg geschwind, aber vorsichtig die Treppe hinauf, denn er konnte ja seine Füße nicht länger sehen. Er hatte den Anzug – beziehungsweise dessen Gegenstück – schon früher einmal getragen, aber das war über drei Jahre her, und so war es auch jetzt wieder eine neue Erfahrung für ihn. Das Gewebe war nicht nur bequem und atmungsaktiv, sondern verfügte obendrein über die Fähigkeit, sich seinem Träger individuell anzupassen. Der Anzug, war Travis seinerzeit erklärt worden, behielt in der Regel die Form seines letzten Trägers und passte sich dann aktiv neu an, sobald ihn jemand anderes überstreifte. Genau das konnte er jetzt

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