Das Labyrinth des Maal Dweb
der Lippen belebte sein Antlitz. Doch in seinen Ausdruck rätselhafter Müdigkeit mischte sich jetzt ein Anflug leiser und grausamer Belustigung.
Zögerlich-zaghaft streckte Tiglari die Hand aus, um eine sonderbare Ahnung zu bewahrheiten, die in seinem Hirn aufdämmerte. Und ganz wie von ihm geargwöhnt, befand sich gar kein Diwan und auch kein Baldachin zwischen den qualmenden Räucherbecken – sondern nur eine senkrechte, unbeschädigte, glatt schimmernde Oberfläche, worin das ganze Arrangement sich offenkundig spiegelte. Er hatte versucht, ein Spiegelbild zu erdolchen. Doch zu seiner noch größeren Bestürzung sah er sich selbst nicht als Reflexion.
Er wirbelte herum, wähnte er doch, Maal Dweb müsse irgendwo hinter ihm zugegen sein. Noch während er herumfuhr, glitten mit bösem, seidenweichem Flüstern die düsteren Gobelins von den Wänden zurück, als hätten unsichtbare Hände sie beiseitegezogen. Urplötzlich flutete blendende Helle ins Gemach, die Wände schienen ins Unendliche zurückzuweichen, und nackte Riesen, deren gebräunte Leiber wie eingesalbt glänzten, ragten in drohender Haltung zu allen Seiten auf. Ihre Augen glommen finster wie die von Urwaldbewohnern, und jeder von ihnen hielt in der Faust einen gewaltigen Dolch, dessen Spitze fehlte.
Dies, so erschien es Tiglari, war nun wahrlich furchterregende Magie. Und er duckte sich zwischen den Dreifüßen, zum Sprung, gespannt wie ein in die Enge getriebenes Tier, und machte sich auf den Angriff der Riesen gefasst. Doch die Kreaturen duckten sich ebenso wie er und ahmten jede Bewegung, die er machte, nach. Allmählich schwante Tiglari, dass er sein eigenes Ebenbild erblickte, vervielfacht und ins Ungeheure vergrößert von den Spiegeln Maal Dwebs.
Aufs Neue fuhr er herum. Doch der Baldachin mit den zu Quasten geflochtenen Fransen, der Diwan mit dem nachtdunklen Purpurbezug und dem bestickten Besatz, der ruhende Träumer in seiner schlichten Gewandung – all dies war verschwunden. Von dem, was Tiglari zuvor dort gesehen hatte, blieben nur noch die qualmenden Becken. Einsam ragten sie auf vor einer glasglatten Wand, die ebenso wie alle übrigen Zimmerwände Tiglaris eigenes, übergroßes Spiegelbild zurückwarf.
Verblüffung und Schrecken mischten sich jetzt im schlichten Hirn des Jägers. Er spürte, dass Maal Dweb, der alles sehende, allmächtige Hexer, ein Spiel trieb und ihn mit ausgeklügelten Täuschungen narrte. Allzu vorschnell hatte Tiglari seine rohe Körperkraft und seine Fähigkeit, in der Wildnis zu bestehen, gegen ein Wesen von solch übernatürlicher Macht und teuflischer List ins Treffen geführt. Er wagte nicht, sich zu rühren. Ja, selbst zu atmen wagte er kaum.
Die Spiegelmonster schienen ihn zu belauern wie Wächterriesen einen gefangenen Zwerg. Das Licht, das den Raum ausfüllte, als leuchteten verborgene Lampen durch die Spiegel herein, wurde gnadenlos und gefahrdrohend grell, und seine Strahlen richteten sich allein auf Tiglari, nagelten ihn fest in grässlicher Stille. Die trügerisch-grenzenlose Gewaltigkeit des Gemachs schien sich noch zu vergrößern. Und weit entfernt, in ihren Schattentiefen, sah er Dämpfe zusammenströmen, worin sich menschliche Gesichter formten, miteinander verschmolzen und neugebildet in beständigem Wandel, ohne eine einzige Wiederholung.
Heller und heller strahlte die unheimliche Grelle … immer weiter lösten sich die Nebelgesichter, Höllenschwaden gleich, hinter den reglosen Riesen auf und quollen ineinander im tiefer und tiefer sich dehnenden Raum. Unhörbares Gelächter, bösartig und höhnisch, schien hinter dieser Stille zu lauern. Wie lange Tiglari so dastand, wusste er nicht zu sagen. Das grelle, in Starre gefangene Grauen jenes Gemachs, es kam ihm vor wie etwas Zeitloses.
Da jedoch erklang aus der brandhellen Luft eine Stimme – eine Stimme, die tonlos war, körperlos, und die doch wohlüberlegt sprach. Sie klang leicht verächtlich, etwas müde und auch ein wenig grausam. Sie ließ sich unmöglich verorten oder nachverfolgen: Sie war so nah wie der Herzschlag Tiglaris – und zugleich unendlich weit entfernt.
»Was führt dich zu mir, Tiglari?«, sprach die Stimme. »Hast du denn geglaubt, es sei dir gestattet, ungestraft den Palast von Maal Dweb zu betreten? Viele, sehr viele andere, die ähnliche Absichten verfolgten wie du, sind vor dir hier gewesen. Doch sie alle mussten einen ganz bestimmten Preis für ihre Vermessenheit bezahlen.«
»Ich suche das Mädchen Athlé«,
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