Das Labyrinth des Maal Dweb
Anstalten, Tiglari zu behelligen. Stattdessen brachen sie wie Hunde in ein klägliches Winseln aus und schlichen davon, als scheuten sie ihn. Daran erkannte Tiglari, dass es sich wirklich um Tiere handelte und sie den Geruch des Pflanzensaftes nicht ertrugen, den er auf seinem Körper verrieben hatte.
Schließlich gelangte er zu einem unbeleuchteten Säulenvorbau. Im Zwielicht hinter den eng stehenden Säulen klaffte eine halb offene Tür – und jenseits der Tür erstreckte sich der düstere und scheinbar endlose Raum einer leeren Halle.
Geräuschlos gleitend wie eine Urwaldschlange, betrat Tiglari das geheimnisumrankte, grausige Haus des Maal Dweb.
Jenseits der Schwelle stahl Tiglari sich mit verdoppelter Vorsicht voran, hielt sich dicht an der mit Webtapeten bespannten Wand. Der Ort war erfüllt von fremdartigen Düften, müde und verträumt … schien durchzogen von zarten Räucherschwaden, entsandt von Weihrauchschalen in verborgenen Alkoven der Wollust. Die Gerüche missbehagten Tiglari. Und die Stille beunruhigte ihn mehr und mehr, je tiefer er in den Palast eindrang. Ihm schien, als sei das Dunkel erfüllt von lautlosen Atemzügen, als lebe es schier vor unsichtbarer und unheilvoller Bewegung.
Langsam, als höben träge Lider sich über großen, gelben Augen, wuchsen gelbliche Flammen in den gewaltigen Lampen aus Kupfer empor, die längs der Halle von der Decke hingen. Rasch verbarg sich Tiglari hinter einem der prachtvoll bestickten Gobelins. Doch als er voller Gespenster-Furcht dahinter hervorspähte, sah er, dass die Halle noch immer verlassen dalag. Schließlich fasste er genügend Mut, um seinen Weg fortzusetzen. Rings um ihn her schienen die prunkvollen Wandbehänge, bestickt mit den Figuren scharlachroter Männer und azurblauer Frauen auf leuchtend rotem Grund, wie von Leben beseelt in einem Luftzug zu erbeben. Tiglari jedoch spürte nichts davon, und die Lampen beobachteten ihn mit starren, glühenden Augen. Doch kein Anzeichen wies auf die Gegenwart Maal Dwebs hin … und die metallenen Diener und menschlichen Liebessklavinnen des Tyrannen traten nirgendwo in Erscheinung.
Die Doppeltüren beidseits der Halle, die in raffinierter Zusammenstellung jeweils einen elfenbeinernen Flügel und einen aus Ebenholz besaßen, waren sämtlich geschlossen. Am entfernteren Ende der Halle gewahrte Tiglari einen spaltbreiten Lichtschein zwischen den beiden Hälften eines düsteren Gobelins. Als er den Wandteppich vorsichtig teilte, schaute er in ein großes, hell erleuchtetes Gemach. Nach dem ersten Eindruck schien es sich um den Harem Maal Dwebs zu handeln, bevölkert von all den Mädchen, die der Hexer im Lauf der Jahrzehnte zu sich in die Bergfestung befohlen hatte.
Ja, anscheinend befanden sie sich zu Hunderten darin, saßen oder lagen hingestreckt auf reich verzierten Diwanen oder verharrten aufrecht stehend in Posen der Ermattung oder des Entsetzens. In dem dichten Gedränge unterschied Tiglari die Maiden Ommu-Zains, deren Haut weißer ist als das Salz der Wüste, und die ranken Mädchen der Uthmai, die scheinbar aus atmendem, pulsierendem Gagat modelliert sind … sah er die majestätischen Bernsteinmädchen des tropischen Xala und auch die klein-zierlichen Frauen aus Ilap, die einen Teint wie frisch patinierte Bronze besitzen. Doch Athlés liliengleiche Schönheit vermochte er unter ihnen allen nicht zu erspähen.
Groß war seine Verwunderung über die Vielzahl der Frauen und über die völlige Reglosigkeit, mit der sie in ihren mannigfachen Stellungen verharrten. Kein Augenlid blinzelte, keine Hand sank herab, kein Lippenpaar verzog oder teilte sich. Sie glichen Standbildern aus lebensecht bearbeitetem, kunstvoll bemaltem Marmor, oder auch Göttinnen, die in einem verwunschenen Saal der Ewigkeit schliefen.
Tiglari, der furchtlose Jäger, fühlte sich von ehrfürchtiger Scheu, beinahe von Angst ergriffen. Hier fand sich ganz fraglos der Beweis für die sagenumrankten Zauberkräfte Maal Dwebs. Diese Frauen – falls es sich wirklich um Frauen statt um bloße Statuen handelte – hatte jemand einem todesähnlichen Bann ewigen Schlafes unterworfen. Als hätte ein unsichtbarer, doch diamantharter Stoff des Verstummens den gesamten Raum ausgefüllt und halte seine Bewohnerinnen wie in Kristall eingeschlossen: ein Stoff des Verstummens, worin, wie es schien, kein sterbliches Wesen zu atmen vermochte.
Und doch: Wollte Tiglari seine Suche nach Maal Dweb und Athlé fortsetzen, so musste er dies verwunschene
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