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Das Labyrinth des Maal Dweb

Das Labyrinth des Maal Dweb

Titel: Das Labyrinth des Maal Dweb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Asthon Smith
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Rändern ihrer Kelche troff eine klare, farblose Flüssigkeit. Anfangs tröpfelte sie nur langsam, doch bald rann sie in dünnen Bächen und floss über Tiglaris Füße, Knöchel und Waden. Er verspürte ein unbeschreibliches, gänsehautähnliches Prickeln und sodann eine vorübergehende, eigenartige Taubheit. Darauf folgte ein heftiges Brennen wie von zahllosen Insektenstichen. Und nun sah Tiglari zwischen den gedrängten Köpfen der Blumen hindurch, dass seine Beine eine unerklärliche und grauenvolle Wandlung durchlaufen hatten: Ihre männliche Behaarung war dichter geworden, gewuchert zu einem dunklen, zottigen Haarkleid, vergleichbar dem Fell eines Affen. Die Unterschenkel wirkten kürzer als zuvor, die Füße hingegen länger. Sie wiesen plumpe, fingerähnliche Zehen auf, ganz wie die Tierwesen Maal Dwebs!
    Übermannt von Entsetzen und unsäglicher Angst, zückte Tiglari den abgebrochenen Dolch und begann, wie rasend auf die Blumen einzuhauen. Doch die Wirkung war keine andere, als hätte er die Streiche gegen monströse Glocken aus klingendem Eisen geführt oder gegen die gepanzerten Schädel von Drachen. Die Klinge brach am Heft entzwei. Die Blumen hingegen stiegen ekelerregend an ihm empor, beugten sich über seine Körpermitte und benetzten ihm Hüften und Schenkel mit dünnflüssigem, grässlichem Geifer.
    Inmitten des bizarren Albtraums, darin Tiglaris Hirn und Körper hilflos ertranken, vernahm der Jäger den Schreckensschrei einer Frau. Und durch die Lücke in der Hecke gewahrte er ein befremdliches Schauspiel, welches der Irrgarten, dessen undurchdringliches Dickicht sich wie durch Zaubermacht geteilt hatte, seinem Blick offenbarte. Kaum 30 Schritte entfernt und auf gleicher Höhe mit dem Onyx-Pflaster, erhob sich ein oval geformtes Podest oder ein niedriger Altar aus mondbleichem Stein. Und mitten auf jenem Podest hatte die Jungfrau Athlé, die über einen erhöhten, porphyrnen Steg aus dem Labyrinth hervorspaziert war, in einer Pose äußerster Verblüffung innegehalten.
    Direkt vor ihr überragte ein runder Spiegel aus stahlgrau schimmerndem Metall das Podest, senkrecht verankert in den Klauen einer riesigen Marmorechse, deren Schädel von der Spiegelscheibe verdeckt wurde. In diese stählerne Scheibe starrte nun Athlé, wie berückt von einer himmlischen Vision. Ihr Gesicht, worin die Augen weit aufgerissen waren, bot sie Tiglari im Profil. Der Spiegel zeigte sich schräg von der Seite, der Echsenkörper vollführte einen scharfen Knick und verlor sich in perspektivischer Flucht, bis er scheinbar eins wurde mit dem halb reptilhaften Dickicht des Labyrinths. Auf halbem Weg zwischen dem Onyx-Pflaster und dem bleichen Steinoval wuchs eine Reihe von sechs schlanken, weit auseinanderstehenden Bronzesäulen empor. Dämonischen Kapitellen gleich saßen ebenso viele gemeißelte Schädel auf den Säulen, die sich abwechselnd dem Jäger und dem Mädchen zukehrten.
    Schon wollte Tiglari das Mädchen rufen. Doch da trat Athlé mit einem einzigen Schritt vor den Spiegel hin, als zöge etwas, das sie in seinen Tiefen erblickte, sie unwiderstehlich an. Fast sofort leuchtete die matt glänzende Scheibe von innen her grell und weißglühend auf. Augenblickslang machten die gezackten Lichtstrahlen, die aus dem Spiegel hervorschossen und den Leib des Mädchens blitzartig umschlangen und festhielten, den Jäger blind. Dann verging die Schwärze vor Tiglaris geblendeten Augen in einem hell-bunten Fleckenwirbel, und er konnte erkennen, dass Athlé in statuenhaft-regloser Haltung und mit weit offenen Augen noch immer in den Spiegel sah. Sie hatte sich keinen Millimeter gerührt. Der Ausdruck der Verblüffung stand wie eingemeißelt auf ihrem erstarrten Gesicht. Und Tiglari fiel auf, dass sie jetzt den Frauen glich, die im Palast des Maal Dweb ihren Zauberschlaf schliefen. Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, da vernahm er aufs Neue jenen Chor tönend-metallener Stimmen. Sie schienen aus den gemeißelten Dämonenschädeln zu Häupten der sechs Säulen zu dringen.
    »Die Jungfrau Athlé«, verkündeten die Stimmen in getragenem und unheilschwangerem Ton, »hat sich selbst im Spiegel der Ewigkeit erschaut und ist nun auf immer entrückt jeglicher Verwüstung und Verwesung im Gefolge der Zeit.«
    Tiglari war es, als versinke er in einem bodenlosen, dunkel-grauenvollen Sumpf der Träume. Nichts von dem, was mit Athlé geschehen war, schien ihm begreiflich, und ebenso furchtbar und unfassbar wirkte das ihm selbst

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