Das Labyrinth des Maal Dweb
Ende wird jetzt nicht mehr so weit entfernt sein«, sagte er. »Ich kenne die Symptome, es ist eine Sache von 14 Tagen oder wenig mehr, wenn jener Punkt erreicht ist, der heute Morgen erreicht wurde.«
»Aber was ist es denn?«, schrie ich. Diese Frage wurde mehr veranlasst durch Schrecken und Besorgnis als durch Neugierde.
»Bald genug wirst du es erfahren«, antwortete er mir, wobei er mit einem Zeigefinger von skelettartiger Dünne auf den Bibliothekstisch wies. »Siehst du dieses Manuskript?«
Als ich seiner Anweisung folgte, erblickte ich auf dem Tisch dicht bei der hölzernen Statuette einen Stapel beschriebener Blätter, welchen ich in meiner Sorge um Marsden bisher nicht bemerkt hatte.
»Du bist mein ältester Freund«, sprach er weiter, »und ich bin mir schon eine ganze Weile bewusst, dass ich dir einige Erklärungen schulde. Doch sind sie so befremdlich, so besonders intim, dass ich nicht fähig war, mich zu einem offenen Bekenntnis von Angesicht zu Angesicht durchzuringen. Daher habe ich für dich einen vollständigen Bericht über diese letzten beiden Monate meines Aufenthalts in Afrika aufgeschrieben, über welchen ich bislang so wenig gesprochen habe. Du sollst den Bericht mit nach Hause nehmen, wenn du gehst, aber ich muss dich inständig bitten, das Manuskript erst nach meinem Tode zu lesen. Ich bin sicher, ich kann dir vertrauen, dass du meine Wünsche in dieser Hinsicht respektierst. Wenn du meinen Bericht liest, so wirst du die Ursache meiner Krankheit und die Geschichte jener schwarzen Figurine erfahren, welche deine Neugier so sehr gepeinigt hat.«
Ein paar Minuten später erklang ein Klopfen, und ich ging, um aufzumachen. Wie ich erwartet hatte, stand Dr. Felton vor der Tür, der nur ein paar Blocks entfernt wohnte und nach meinem Anruf sofort von zu Hause aufgebrochen war. Er gehörte zu der munteren, selbstsicheren Sorte Mensch, strahlte ständig Beruhigung und professionelle gute Laune aus, welche so viel dazu beiträgt, den Ruf der Tüchtigkeit eines Arztes aufzubauen. Dennoch sah ich unter seiner optimistischen Maske einen Unterhauch des Zweifels und echter Verwirrung, als er Marsden untersuchte.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, was mit Ihnen los ist«, gestand der Arzt ein, »doch ich meine, Ihr Problem liegt hauptsächlich bei der Verdauung und den Nerven. Zweifellos müssen das afrikanische Klima und das Essen Sie ganz radikal durcheinandergebracht haben. Sie werden eine Krankenschwester brauchen, falls es eine Wiederholung des Anfalls gibt.«
Er schrieb ein Rezept aus und verließ uns kurz darauf. Da ich eine dringende Verabredung hatte, sah ich mich gezwungen, ihm etwa eine halbe Stunde später zu folgen, dabei nahm ich das Manuskript mit, auf das Marsden gezeigt hatte. Doch bevor ich ging, rief ich mit Marsdens Erlaubnis telefonisch eine Krankenschwester und übergab ihr die Verantwortung. Natürlich versprach ich, so bald als möglich zurückzukehren.
Ich vermag es kaum zu ertragen, einen erschöpfenden Bericht zu schreiben von den zwei Wochen, die folgten, mit all den grässlichen, langwierigen Qualen, den kurzen illusorischen Verlagerungen zum Besseren hin, den scheußlichen Rückfällen, welche den Zustand meines Freundes charakterisierten. Alle Zeit, die ich erübrigen konnte, verbrachte ich mit ihm, denn meine Präsenz schien ihn zumindest ein wenig zu trösten, außer während der furchtbaren täglichen Krisen, wenn er, fast bewusstlos, seine Umgebung nicht länger erkannte.
Gegen Ende gab es länger werdende Intervalle des Deliriums, wobei er in wildem Irrsinn murmelte oder laut schrie im Entsetzen vor Erscheinungen oder Personen, die nur ihm allein sichtbar waren. Mit ihm zu sein, ihn zu beobachten, das glich einer Tortur ohnegleichen, und für mich war das Furchtbarste an allem das fortschreitende Schrumpfen, die stetige Abnahme von Marsdens Kopf und das Kleinerwerden seines Körpers, welches Stunde für Stunde und Tag für Tag weiterging. Er litt mit krampfartigen Begleiterscheinungen, die nicht von menschlichem Fleisch zu ertragen sind, ohne dass man in Wahnsinn oder ins Vergessen verfällt …
Doch ich kann nicht in Einzelheiten gehen oder die letzten Stadien beschreiben, und ich wage sogar kaum, den Zustand auch nur anzudeuten, in welchem sein Körper zum Leichenbestatter ging. Ich vermag nur zu sagen, dass die sterblichen Überreste in ihrer extremen, ihrer mehr denn kleinkindlichen Zwergengestalt und ihrer Formentartung keine Ähnlichkeit besaßen mit
Weitere Kostenlose Bücher