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Das Labyrinth des Maal Dweb

Das Labyrinth des Maal Dweb

Titel: Das Labyrinth des Maal Dweb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Asthon Smith
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Mauer aus Sand sie vor dem Badevolk verbarg. Der Schwimmanzug, erst halb getrocknet, klebte noch immer eng und glitzernd an ihrer Haut. Doch ihr gemeinsamer Flirt war bereits mit einer Zwanglosigkeit gereift und erblüht, die ihn erstaunte.
    »Ich muss dich im antiken Griechenland gekannt haben«, sagte er. »In deinem Haar glüht noch immer der Sonnenschein des Goldenen Zeitalters und in deinen Augen das Blau längst verblasster Himmel, die über dem Tempe-Tal geleuchtet haben. Sag, welche Königin oder Göttin bist du einst gewesen? In welchem Tempel aus Mondstein oder Palast aus Ebenholz und Gold habe ich, ein längst vergessener Dichter, vor dir die Hymnen und Lieder meiner Anbetung gesungen? … Erinnerst du dich meiner?«
    »Oh ja, ich erinnere mich deiner«, sang sie in ihrem wehmütigen Sopran. »Aber ich war keine Königin oder Göttin: Ich war nur eine gelbe Lilie, die auf einer Waldlichtung an den Ufern eines vergessenen Flusses gedieh – und du warst der Faun, der vorüberging und mich zertrat.«
    »Arme kleine Blume!«, rief er voll Mitgefühl, das er nicht vorzutäuschen brauchte. Es schien unmöglich, dem girrenden, schmerzlichen Tonfall ihrer Stimme zu widerstehen, der ergebenen Trauer und Liebe in ihrem Blick. Sie sagte nichts. Aber ihr Kopf sank noch tiefer gegen seine Schulter und die Wölbung ihrer Lippen wurde noch trauriger und verlockender. Auch wenn sie nur halb so schön und begehrenswert gewesen wäre, hätte er es doch unverzeihbar grausam gefunden, sie nicht zu küssen … Ihre Lippen fühlten sich kühl an wie Blumen nach einem Aprilregen und sie hafteten weich an seinen wie in Dankbarkeit für seine Zärtlichkeit und Anteilnahme …
    Am nächsten Tag hielt er unter den Badelustigen am Strand vergeblich nach ihr Ausschau. Sie hatte versprochen, dort zu sein – hatte es mit vielen langen Küssen und geraunten Worten versprochen. Schmerzlich dachte er an den sanften Druck ihres Mundes zurück, an die leichte Last ihres Körpers, der sich gar nicht aus seiner Umarmung hatte lösen mögen, während er trübselig auf die Düne zustapfte, in deren Schutz sie gesessen hatten. Als hinter der Düne Stimmen hervordrangen, blieb er stehen. Unwillkürlich lauschte er, denn eine der Stimmen gehörte ihr. Die andere, leise und undeutlich, doch leidenschaftlich im Tonfall, war die Stimme eines Mannes …
    Mit dem girrenden Sopran, dessen Klang ihm so frisch und lebendig in Erinnerung war, sagte sie:
    »Ich war nur eine gelbe Lilie, die auf einer Waldlichtung an den Ufern eines vergessenen Flusses gedieh – und du warst der Faun, der vorüberging und mich zertrat.«

Genius Loci
    »Der Platz ist wirklich eigenartig«, sagte Amberville, »aber ich weiß nicht einmal, wie ich den Eindruck vermitteln soll, den er auf mich macht. Worte klingen dafür zu einfach und gewöhnlich. Eigentlich ist es nur eine Riedgraswiese, die auf drei Seiten von fichtenbestandenen Hängen umgeben ist. Von der offenen Seite fließt langsam ein schmaler Bach hinein und verliert sich in einer schilfdurchwachsenen, morastigen Sackgasse. Der Bach, der im Näherkommen immer träger fließt, bildet einen stehenden, recht großen Teich, von dem ein paar kränkelnde Erlen sich förmlich nach hinten wegzulehnen scheinen, als wollten sie nichts mit dem Wasser zu tun haben.
    Über den Teich ragt eine abgestorbene Weide, deren gerippeähnliches Spiegelbild nur ab und zu zwischen dem grünen Entenflott zu sehen ist, welcher das Wasser wie Pocken bedeckt. Dort gibt es keine Amseln, keine Sumpfvögel, nicht einmal Libellen oder anderweitiges Leben der Art, die man an solchen Orten doch sonst antrifft. Der Ort ist böse – er verströmt Unheil in einer Weise, die ich einfach nicht zu beschreiben vermag. Ich verspürte den unwiderstehlichen Drang, eine Zeichnung davon anzufertigen. Beinahe wie ein Zwang, denn so absonderliche Motive liegen mir sonst kaum. Tatsächlich habe ich sogar zwei Zeichnungen gemacht. Wenn Sie möchten, zeige ich sie Ihnen.«
    Da ich von Ambervilles künstlerischen Fähigkeiten eine hohe Meinung hatte und ihn seit Langem zu den herausragendsten Landschaftsmalern seiner Generation zählte, wollte ich seine Entwürfe natürlich sehr gerne sehen. Allerdings wartete er noch nicht einmal ab, dass ich mein Interesse bekundete, sondern machte sich sofort daran, seine Zeichenmappe zu öffnen. Sein Gesichtsausdruck, selbst seine Handbewegungen kündeten gewissermaßen von einer seltsamen Mischung aus Hingerissenheit und

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