Das Labyrinth des Maal Dweb
können.
Ich wartete. Es stand außerhalb meiner Macht, das Zimmer zu betreten oder mich zurückzuziehen. In einer eisig-trägen Flut strömte mir das Blut wieder zum Herzen, und jedweder Gedanke fror in meinem Hirn fest. Eine Zeitspanne des namenlosen Schreckens verstrich, und dann erklang aus der verborgenen Seite von Carnbys Zimmer aus der Richtung des verschlossenen Schrankregals ein furchtbares lautes Krachen, gefolgt vom Geräusch splitternden Holzes und ächzender Scharniere und dem unheimlichen, dumpfen Schlag eines unerkannten Gegenstandes auf dem Boden.
Wieder herrschte Schweigen – ein Schweigen, als brüte das Böse nach vollzogener Tat über seinem namenlosen Triumph. Der Schatten hatte sich nicht geregt. Seine Haltung gemahnte an scheußliche Nachdenklichkeit, und in der erhobenen Hand lag immer noch die Säge wie über getanem Werk.
Eine weitere Spanne verstrich, und dann wurde ich ohne eine Vorwarnung Zeuge des schrecklichen und unerklärlichen Zerfalls des Schattens, der sacht und mühelos in vielerlei verschiedenartige Schatten auseinanderbrach, bevor er meinem Sichtfeld entschwand.
Ich zögere, die Art und Weise zu beschreiben oder die Stellen zu benennen, an denen sich dieses einzigartige Auseinanderfallen, dieses mannigfaltige Zerbrechen ereignete. Zugleich hörte ich das durch den Perserteppich gedämpfte Herabfallen eines metallischen Gegenstandes und einen Laut, als ob nicht ein Körper fiel, sondern viele Körper zu Boden stürzten.
Erneut herrschte Schweigen – das Schweigen eines nächtlichen Friedhofs, auf dem die Totengräber und die Ghoule ihre makabre Arbeit getan haben und die Toten wieder allein sind.
Ich wurde von dem bösen Mesmerismus angezogen, und wie ein Schlafwandler, den ein unsichtbarer Dämon leitet, betrat ich das Zimmer. Mit grausiger Klarheit wusste ich schon im Vorwege, welcher Anblick jenseits der Schwelle mich erwartete – der doppelte Haufen menschlicher Teile, einige von ihnen frisch und blutüberströmt, andere bereits bläulich unter der beginnenden Verwesung und von Erdflecken beschmutzt. Beiderlei Brocken lagen in schrecklichem Durcheinander auf dem Teppich.
Aus dem Haufen ragten ein gerötetes Messer und eine gleichsam befleckte Säge hervor. Ein wenig abseits zwischen dem Teppich und dem offenen Schrank mit seiner zerschmetterten Tür ruhte aufrecht ein Menschenkopf, der den anderen Überresten zugewandt war. Er befand sich im gleichen Zustand des beginnenden Verfalls wie die Leiche, zu der er gehört hatte; doch ich beschwöre, dass ich, als ich eintrat, den Rest einer boshaften Freude in seinem Gesicht verblassen sah. Auch unter den Anzeichen der Fäulnis, die auf ihnen lagen, sahen die Züge jenen von John Carnby entschieden ähnlich … sie konnten offenbar nur einem Zwillingsbruder gehören.
Die grausigen Schlussfolgerungen, die meinen Verstand in einer schwarzen, klebrig feuchten Wolke erstickten, sollen hier keine Niederschrift finden. Das Grauen, dessen ich gewahr wurde – und das noch größere Grauen, das ich dahinter mutmaßte – hätten die übelsten Grässlichkeiten der Hölle in ihren froststarren Grüften zur Nichtigkeit werden lassen.
Nur eine Linderung gab es, eine einzige Gnade: Ich musste dieses unerträgliche Tableau nur für wenige Augenblicke ansehen. Dann spürte ich auf einmal, dass etwas sich aus dem Zimmer zurückgezogen hatte. Der böse Bann war gebrochen, der übermächtige Wille, der mich versklavt hatte, nicht länger hier. Er hatte mich freigegeben, wie er auch die zerstückelte Leiche des Helman Carnby freigegeben hatte. Ich war wieder mein eigener Herr. Hals über Kopf floh ich aus der grausigen Kammer durch ein unbeleuchtetes Haus in die Finsternis der Nacht hinaus.
Der Flirt
Irgendjemand stellte sie ihm vor, als sie aus der Brandung stieg und den Strand entlangkam. Sie war so blond wie Goldmohn, und ihr einteiliger, leuchtend grüner Badeanzug lag so eng am Körper wie das Blatt der geschlossenen Blüte an der Knospe. Als sie ihn anlächelte, verströmte sie eine Aura sanfter, verborgener Traurigkeit, und ihre trägen, sinnlichen Lider senkten sich vor seinem Blick mit der verträumten Mattigkeit sich schließender Blütenblätter. Der Bogen ihrer Wange wirkte schüchtern und verführerisch; sie war sittsam und bescheiden, doch mit einem Unterton versteckter Herausforderung, und ihre Stimme klang wie ein wehmütiger Sopran.
20 Minuten später saßen sie zwischen den Dünen am Ende des Strands, wo eine weiße
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