Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
der Wand, aber sie war fest verschlossen.
Also weiter.
Weiter nach oben.
Endlich konnte sie sich dank des wenigen Lichts ein bisschen schneller bewegen, aber noch schneller waren die Männer auf der Treppe, die im Schein ihrer Fackeln nach oben stürmten.
Kathy traf auf weitere Türen, aber alle waren abgesperrt. Es gab keine Möglichkeit, irgendwo tiefer ins Gebäude einzudringen und sich zu verstecken.
Das schwere Stampfen der Stiefel auf Beton hallte von den Wänden wider, es klang wie Donner, der einen Sturm ankündigte. Eine eiskalte Furcht ergriff Kathy, kroch ihren Nacken hinauf, ließ sie frösteln, obwohl ihr der Schweiß in Strömen über das Gesicht ran.
Weiter.
Weiter.
Nach oben.
Sie versuchte zu beschleunigen, aber mehr gaben ihre zitternden Beine nicht her. Kathy spürte, dass sie drauf und dran war zusammenzubrechen, aber dann stand sie oben. Am Ende der Treppe.
Vor ihr eine einfache Holztür. Die letzte Möglichkeit zu entkommen.
Bitte lass sie offen sein. Bitte! Bitte! Bitte!
Ihre Hand fasste nach der Klinke, drückte sie nach unten.
Die Tür schwang nach außen auf.
Kathy sprang hindurch, warf sich mit dem Rücken gegen das Holz, drehte sich dann um, suchte und fand einen Riegel, den sie zum Schließen vor die Tür schieben konnte.
Sie atmete erleichtert aus.
Gerettet!
Auf der anderen Seite warf sich ein schwerer Körper gegen die Tür. Das Holz in ihrem Rücken knirschte.
Mary war stets zwei Schritte hinter León, der nahezu geräuschlos durch die Nacht hetzte. Er hielt sich dicht an den Wänden der Gebäude und wich scheinbar mühelos allen Hindernissen aus, wohingegen sie schon zwei Mal gestolpert und hingefallen war. Jedes Mal war León stehen geblieben und zu ihr zurückgekommen. Hatte ihr, ohne ein Wort zu sagen, aufgeholfen und sie waren weitergerannt.
Noch immer wussten sie nicht, ob jemand hinter ihnen her war. Wenn sie einen Moment haltmachten und durchschnauften, blickten sie zurück, sahen aber niemanden.
Vielleicht ist da überhaupt keiner, dachte Mary. Vielleicht täuscht sich León. Mist, ich bin vollkommen außer Atem, ich…
Doch da lief er schon wieder los. Zehn Meter weiter mussten sie eine breite Straße überqueren. Das bleiche Licht des Mondes fiel auf sie herab und Mary wusste, dass sie deutlich sichtbar sein würden, falls jemand hinter ihnen her war. Auch León zögerte kurz, aber dann jagte er in einem atemberaubenden Tempo über die Straße. Mary kam immer wieder ins Straucheln, ihre Beine sackten einmal unter ihr zusammen, als sie mit einem Fuß ausrutschte. Woher nahm León nur diese Ausdauer?
Das Blut rauschte in Marys Ohren, als sie sich endlich keuchend neben León an eine Wand voller alter Plakate presste, die im sanften Wind flatterten. Die Bilder darauf waren verblasst, die Farben im bleichen Licht des Mondes nicht zu unterscheiden. Alles grau in grau.
León packte sie grob am Arm und zog sie noch tiefer in die Schatten. Mary wollte protestieren, aber da legte sich Leóns Finger über ihren Mund. Mit der anderen Hand deutete er auf die breite Straße hinaus.
Da waren sie!
Schemenhafte Gestalten tauchten aus der Dunkelheit auf, lösten sich aus den Häuserschatten und blieben am Rand der breiten Straße stehen. Sie suchten nach ihren Fußspuren. Einer von ihnen hob den Kopf, sah direkt zu ihnen hinüber. Obwohl sich Mary sicher war, dass er sie nicht entdecken konnte, umklammerte eine kalte Faust ihr Herz.
León beugte sich zu ihr, flüsterte ihr leise ins Ohr: »Du musst jetzt um dein Leben rennen, Mary.«
Ich renne schon die ganze Zeit um mein Leben!, wollte sie schreien. Sie war die ganze Zeit am Limit gewesen und sie wusste, dass sie ihn nur unnötig verlangsamte. Sie überlegte, ob er ohne sie weiterflüchten sollte. Ohne sie hätte er eine Chance. Aber die Furcht vor dem, was sie erwartete, wenn die Männer sie schnappten und sie zurückbrachten, war viel zu gewaltig.
Nein, ich muss weiterlaufen. Es irgendwie schaffen. Ich renne eher bis zum Umfallen, als dass ich mich freiwillig ausliefere.
Auf sein Kommando stürmten beide los.
Das dumpfe Dröhnen, mit dem sich die Männer auf der anderen Seite gegen die Tür warfen, machte Kathy fast wahnsinnig. Jeder Ruck erschütterte das Holz und ihren gesamten Körper.
Sie befand sich auf dem Dach des Gebäudes. Ein eiskalter Wind wehte hier oben, ließ den Schweiß auf ihrer nassen Stirn gefrieren und ihre Nasenspitze taub werden. Im fahlen Mondlicht sah Kathy eine unberührte Schneedecke
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