Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
oder?«
Jenna hatte sich zurücksinken lassen und sah Mary dankbar an, die fachmännisch damit begann, den Verband anzulegen. Jeb und Mischa erhoben sich und gingen hinüber zu den anderen, die sich etwas abseits zusammengesetzt hatten. »Sie wird so nicht weitergehen können. Wir müssen zurück zum Bach oder zum Wald, um eine Trage für sie zu bauen«, verkündete Jeb.
»Nein«, sagte León bestimmt. »Das werden wir nicht tun. Wir gehen weiter.«
»Du willst sie zurücklassen?«, zischte Jeb.
»Ja. Und wenn du bei klarem Verstand wärst, wüsstest du auch, dass das die einzige Möglichkeit ist«, erwiderte León. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er hatte für sich bereits die nötigen Konsequenzen aus dieser neuen Situation gezogen. »Wir können sie nicht mitnehmen, und wenn sie nicht selbst laufen kann, muss sie zurückbleiben.«
»León –« Jeb trat einen Schritt vor.
»Was willst du machen? Mir eine in die Fresse hauen?« León richtete sich auf. Trotzdem reichte er Jeb nur bis zur Nase. »Ich sage nur die Wahrheit.«
»Wir müssen zum Bach oder zum Wald zurückkehren und eine Trage bauen.«
»Und dann?«
»Dann tragen wir sie zu den Toren.«
»Ach ja, wie geht es dann dort weiter? Hast du dir das schon überlegt? Losen wir aus, wer durch die Tore gehen darf und wer hierbleibt? Soll jemand von uns, die wir Jenna bis zu den Portalen geschleppt haben, sich opfern, obwohl sie ohne unsere Hilfe niemals bis dahin gekommen wäre?«
»Dann verzichte ich auf meinen Platz. Wir nehmen Jenna mit, und wenn wir es zu den Toren schaffen, bleibe ich zurück.«
León verzog den Mund und sah ihn traurig an. »Jeb, das ist wirklich heldenhaft von dir, im Ernst, aber es funktioniert nicht. Erstens ist es mehr als wahrscheinlich, dass du dich im Angesicht deines eigenen Todes doch noch anders entscheidest, und…«
Jeb wollte etwas einwenden, aber León hob warnend die Hand und sprach weiter. »... zweitens, selbst wenn du wirklich zurückbleiben würdest, wer sagt dir, dass wir sie in der nächsten Welt mit uns herumschleppen würden?« León legte Jeb eine Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, ich bin kein Unmensch. Wenn dein Vorschlag sinnvoll wäre, würde ich dir helfen, Jenna zu tragen, aber sieh es doch ein: Ihr Leben zu retten, bedeutet den Tod für uns alle.«
Leóns Worte waren hart. Ehrlich und grausam, trotzdem war Jeb nicht bereit aufzugeben.
»Was ist mit euch?«, wandte er sich an Tian, Kathy und Mischa. »Helft ihr mir?«
Mischa schüttelte stumm den Kopf, dann wandte er sich ab und ging davon. Kathy folgte ihm, ohne zu zögern. Nur Tian blieb noch einen Augenblick sitzen, dann sagte er leise: »Tut mir leid.« Und ging ebenfalls.
»Wenn du willst, erkläre ich Jenna, wie es um sie steht«, sagte León ruhig. Er klopfte Jeb kurz und hart auf die Schulter. »Du bist ein Idiot, Jeb, wenn du versuchst, sie zu retten, aber tu, was du nicht lassen kannst!«
Und damit ging León zu Jenna hinüber, kniete sich neben sie und sprach mit ihr. Sie stieß einen verzweifelten Schluchzer aus. Dann erhob er sich geschmeidig und schritt zu Mischa, Tian und Kathy hinüber, die schon auf ihn warteten.
Jeb ließ sich neben Jenna zu Boden sinken.
»Ich werde hier bleiben und dir helfen«, meinte Mary plötzlich.
Jeb schaute sie erstaunt an. »Du?«
»Ja, ich. Wir bauen eine Trage.«
»Nein«, erwiderte Jeb. »Du hast nicht die Kraft, um das durchzustehen. Wir werden einen weiten Umweg gehen müssen. Und falls du auch irgendwann zusammenbrichst, kann ich dich nicht auch noch schleppen.«
»Ich schaffe das«, beharrte Mary. »Ich bin stärker, als ihr alle denkt.«
Jenna wischte die Tränen aus ihrem Gesicht und sah Mary an. »León hat recht. Ihr müsst mich zurücklassen, wenn ihr leben wollt. Ich werde es schon schaffen. Irgendwie.«
»Ich bleibe bei dir«, sagte Jeb entschlossen.
»Jeb, nein. Wenn wir an den Toren sind, was dann? Willst du dich auch dort opfern? Wenn einer das hier überleben sollte, dann du.«
»Wenn wir dort sind, wird mir schon was einfallen«, beharrte Jeb. »Aber du, Mary, musst mit den anderen gehen. Bitte. Tu es um deinetwillen, geh.«
»Aber ich kann doch nicht…«
»Doch, du kannst«, sagte Jenna. »Wenn ich nicht gestürzt wäre, dann wärst vermutlich du es gewesen, die nie bei den Toren angekommen wäre, und das weißt du. Sieh es als deine Chance, dein Leben zu retten.« Jenna griff nach Marys Hand und hielt sie fest zwischen ihren beiden eigenen. »Mary, bitte
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