Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
für ein paar Informationen verkauft. Was bist du nur für ein Mensch?«
Er schaute in ihre braunen Augen, die ihn verächtlich musterten.
Gut, sollte sie doch über ihn denken, was sie wollte. Sollte sie ihn doch verachten. Das kannte er. Tief in sich drin kannte er das ebenso gut wie den ewigen Kampf des Überlebens.
Er war zu ihr gekommen, um ihr zu helfen. Um zu sagen, wie sehr ihn ihre Leistung beeindruckt hatte, aber er hatte die Worte nicht über seine Lippen gebracht. Nun stand er da und wusste, er würde sich niemals erklären können. Reden war nicht sein Ding. In dem Leben, aus dem er zu kommen meinte, galten andere Regeln. Dort sprachen Waffen und Gewalt. Eine Kugel war eine unmissverständliche Botschaft. Und meist gab es keine Widerrede.
»Du bist erbärmlich«, sagte sie jetzt.
Er nickte. Er würde sein Versprechen gegenüber Jeb nicht brechen.
»In fünf Minuten geht es weiter. Sei bereit«, sagte er, dann wandte er sich ab.
22.
Die Müdigkeit war in Jebs Glieder zurückgekehrt. Die Muskeln in seinen Beinen brannten. Nacken und Hals waren steinhart und verkrampft, seine Arme schmerzten, waren bleischwer.
Am schlimmsten aber war das Gefühl, die Orientierung verloren zu haben. Es machte seine Brust eng und das Atmen fast unmöglich.
Hatte er Jenna nicht großspurig erklärt, dass er an der Bemoosung der Bäume die Richtung ablesen konnte? Ja, das stimmte auch, aber nun waren sie weit in den Wald vorgedrungen und die Bäume standen so dicht, dass sie sich gegenseitig Schutz vor den Wetterbedingungen boten. Natürlich gab es Moos, aber es wuchs rings um den Stamm, da die Sonne nicht durch die Baumkronen drang.
Jeb folgte einem ausgetrampelten Wildpfad. An der Losung der Tiere, die überall am Boden lag, konnte er erkennen, dass er hauptsächlich von Hirschen und Rehen benutzt wurde. Er folgte dem Pfad, weil es einfacher war, als sich selbst einen Weg durch das Unterholz zu schlagen.
Die Luft war inzwischen voller Feuchtigkeit und durch die Hitze stiegen dünne Nebelschwaden auf, waberten zwischen den Bäumen wie Seidentücher. Es roch nach verfaulendem Laub und Kiefernharz.
Am liebsten wäre er stehen geblieben, hätte sich für einen Moment ausgeruht, aber er fürchtete, dass er nicht mehr hochkommen würde, sobald er sich einmal auf den Boden gelegt hatte.
Jenna schwieg schon seit geraumer Zeit. Sie hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt und schien zu schlafen, doch plötzlich sprach sie ihn an.
»Jeb?«
»Hm?«
»Ich glaube, an dieser Stelle sind wir schon mal vorbeigekommen.«
Er hielt überrascht an.
»Dieser Baumstamm da links von uns, er hat eine merkwürdige Färbung. Es sieht aus wie das zerfurchte Gesicht einer alten Frau mit eingefallenen Wangen und langer Nase. Erkennst du das auch?«
Jeb starrte die Bäume einen nach dem anderen an. Zunächst entdeckte er nichts, aber dann sah er, was Jenna meinte.
»Bist du dir sicher, dass du den Baum schon mal gesehen hast? Oder sieht er nur einem anderen ähnlich?«
»Nein, ganz bestimmt. Wir sind schon mal hier vorbeigekommen, vielleicht vor einer halben Stunde oder so.«
Wenn es stimmte, was Jenna sagte, dann waren sie die letzten dreißig Minuten im Kreis gegangen. Er selbst hatte die ganze Zeit über keinen Blick für die Umgebung übrig. Er starrte stur auf den Boden, um nicht zu stolpern. Irgendwo musste er eine Abzweigung verpasst haben oder der Wildpfad führte sie sinnlos in Schleifen herum.
»Wir haben uns verirrt, oder?« Es war eine Feststellung.
Zuerst wollte er sie beruhigen, aber dann gab er es zu: »Ich dachte, der Pfad führt uns automatisch in die richtige Richtung. Außerdem kann man hier die Sonne nicht sehen, wenn sie gerade überhaupt scheint. Das Moos zeigt nicht mehr die Himmelsrichtung an und…« Jeb musste schlucken.
»Was machen wir jetzt?«
»Weitergehen. Was bleibt uns anderes übrig?«
»Kannst du noch?«
»Es muss ja.«
»Da vorne war irgendwo eine kleine Lichtung. Dort gibt es vielleicht eine Abzweigung«, erinnerte sich Jenna.
Es war keine richtige Lichtung, nur ein freier Fleck zwischen den dichten Baumreihen. Vor langer Zeit musste hier ein mächtiger Baum gestanden haben, denn noch immer bedeckten knorrige Wurzeln den Boden. Der Stamm selbst war wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten verrottet, aber die Schatten spendenden Kronen der umstehenden Bäume hatten neues Pflanzenwachstum verhindert.
Als Jeb mit Jenna auf dem Rücken sich dort für einen Moment orientierte, entdeckte er eine
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