Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
sich in ihr Schuhwerk bohrten. Das Land stieg an. Zunächst war es ihnen nicht aufgefallen, aber nun ging es stetig bergauf. Sie waren am Fuße des Gebirgszugs angekommen.
Mischa, León, Tian, Kathy und Mary stolperten durch die glühende Hitze. Die Augen vom Staub verklebt, sie brauchten dringend Wasser. Sie wankten nur noch auf schwachen Beinen, Schritt für Schritt, voran. Ihre Verfolger waren längst vergessen. Sonnenschein oder nicht, sollten sie doch kommen und sie holen, alles war besser als dieser bestialische Durst.
Mary versuchte immer wieder vergeblich, sich über die aufgeplatzten Lippen zu lecken. Das Problem war nur, dass ihre Zunge am Gaumen klebte und sich nicht lösen ließ.
Wir werden hier alle sterben.
Neben ihr torkelte Tian wie ein Betrunkener durch die Gegend. Dass er sich überhaupt noch auf den Beinen hielt, schien ihr fast ein Wunder. Aber immerhin hatte sie auch noch nicht aufgeben, was sie selbst am meisten verwunderte. Tians lange Haare mit der blauen Strähne klebten wie eine zweite Haut an seinem Gesicht, das inzwischen die Farbe eines gekochten Krebses angenommen hatte. Er bemerkte ihren Blick und röchelte etwas, das Mary nicht verstand. Aber in ihrem Bewusstsein gab es sowieso nur noch Raum für einen einzigen Gedanken, ein einziges Wort.
Wasser.
Für einen Becher kühles Wasser hätte sie ihre Seele an den Teufel verkauft.
Plötzlich blieb Kathy vor ihr stehen. Unfähig zu reagieren, stolperte Mary in sie hinein. Das rothaarige Mädchen wirbelte herum und starrte sie aus glühenden Augen an.
»Pass auf, wo du hinläufst, du dämliche Kuh«, zischte sie.
Mary wankte überrascht rückwärts. Doch nicht wegen der Worte, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass Kathy noch sprechen konnte und offenbar sogar noch über Energie verfügte, sie zu beschimpfen. Kathy war ein Biest und doch beneidete Mary sie in diesem Augenblick. Obwohl sie ebenso fertig aussah wie alle anderen, war Kathys Lebenswille ungebrochen.
Wenn einer diesen Mist durchsteht, dann sie.
Inzwischen glaubte Mary, dass Kathy noch zäher als León war. Und sie hatte noch nicht vergessen, dass Kathy irgendwo ein Messer versteckt hatte, von dem niemand sonst wusste.
Sie war viel zu müde, um sich zu entschuldigen, und hatte auch keine Lust darauf. León trat schwerfällig auf sie zu. Sein kahler Schädel war von der Sonne verbrannt, die tätowierten Zeichen kaum noch zu sehen. Aus verklebten Augen sah er sie an.
»Alles okay bei euch?«, krächzte er.
»Was für eine dämliche Frage«, fauchte Kathy. Mary gab ihr im Stillen recht.
León wollte noch etwas sagen, aber da tauchte Mischa auf. Sein staubverschmiertes Gesicht war zu einem Grinsen verzogen.
»Was gibt es denn zu grinsen?«, ätzte Kathy.
»Abgesehen von dir?« Sein Lächeln wurde noch breiter, doch dann musste er husten.
»Arschloch.«
Nachdem er sich wieder gefangen hatte, sprach er mit sparsamen Worten weiter. »Da vorne wird es hügeliger. Vielleicht finden wir eine Höhle für die Nacht«, sagte er und fügte dann hinzu: »Und ich sehe einen Baum.«
Nun hatte er ihre volle Aufmerksamkeit. Tian, León und Mary blickten ihn überrascht an. Nur Kathy verstand nicht.
»Was ist so toll an einem Baum?«
»Bäume bedeuten Wasser«, krächzte Mischa.
»Und darüber freut ihr euch?«
León und Mary nickten.
»Schon mal überlegt, dass die Wurzeln von Bäumen tief reichen? Dass das Wasser vielleicht so tief liegt, dass wir niemals drankommen?«
»Wir graben.« Mischa klang verärgert darüber, dass Kathy diese winzige Hoffnung zunichtemachen musste. Mary konnte Mischa verstehen: Nach Kathys Einwand fühlte sie sich seltsam ernüchtert. Dann spürte sie eine neue Welle Zorn in sich aufsteigen. Sie hustete zweimal trocken. Dann spuckte sie zähen gelben Schleim aus.
»Wenn wir Glück haben, finden wir Wasser«, sagte sie heiser und jedes Wort bereitete ihr Mühe. »Wenn nicht, sterben wir so oder so. Aber jetzt kannst du mal deine Klappe halten.«
Kathy funkelte sie an, aber Mary ließ sich nicht beeindrucken, sondern starrte einfach zurück.
»Weiter«, entschied León.
Mischa und León übernahmen die Führung. Mary folgte ihnen. Hinter ihr, im Abstand von zehn Metern gingen Tian und Kathy.
Mary schien es, als wäre es plötzlich noch heißer geworden.
Tian kämpfte um jeden Schritt. Am liebsten hätte er sich fallen lassen, um für immer liegen zu bleiben, aber er zwang sich, seinen Körper Schritt um Schritt vorwärtszuschieben. Er
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