Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
leichten, perlenden Wein. Nicht weit von mir, umgeben von männlichen und weiblichen Masken, deren Träger unausgesetzt ihre Gesprächspartner tauschten, standen zwei dunkelgekleidete Männer, die sich ernsthaft zu unterhalten schienen. Oder nicht zu unterhalten, sondern halblaut zu streiten. Sie standen fast starr, während sich ringsum alles bewegte, und ihre Gesten hatten eine beinahe bedrohliche Intensität, befremdlich in all dem Flattern und Lachen.
»Fesselnder Anblick, wie?« Die leise Stimme hinter mir gehörte Lorenzo Bellini. »Oder betrachtest du etwa fremde Frauen, Jakko?«
»Da du meine üppige Maske mühelos durchschaust«, sagte ich, »wage ich die Frage, wer die beiden sind.«
»Deine Maske ist, nun ja, eine Maske; aber wer außer dir käme auf den Gedanken, in bequemen, weiten Hosen und einem Seidenhemd zu erscheinen, das nicht eng anliegt?«
»Ich hatte ja nicht vor, meinen Leib zu verschachern. Wer sind die beiden?«
»Ein Osmane und ein Franzose. Beide etwas hitzig. Mal sehen, wann sie sich schlagen.«
»Der Sultan und König François sind doch angeblich in Hitze oder Kälte verbündet.«
Bellini schnalzte. »Kein Grund für all ihre Untertanen, jederzeit miteinander zu schmusen.«
Einer der beiden hob plötzlich die Hand. Es sah aus, als wolle er den anderen schlagen; er schlug jedoch nicht, sondern riß ihm die Maske vom Gesicht, warf sie zu Boden und trampelte darauf herum.
Der Demaskierte trat einen halben Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte etwas, unhörbar in all dem Lärm. Seine Miene wirkte beherrscht, aber unter dieser anderen Maske glaubte ich, eine Mischung aus Hochmut und Ekel zu erkennen. Er mochte etwa in meinem Alter sein, hatte dunkles Haar, eine schmale Nase und strahlte eine gewisse Finsternis aus.
»Der Osmane?«
»Karim Abbas«, sagte Bellini. »Eine Art Sonderbotschafter, und ich wüßte gern, warum sie ihn geschickt haben.« Dann lachte er. »Venedigs Damen stehen angeblich Schlange vor seinem Bett, weil er so eine düstere Schönheit hat. Wie man sagt. Ich kann das nicht beurteilen. Männliche Schönheit ist nicht mein Gebiet.«
»Wir armen gewöhnlichen Männer ... Sollten wir ihn beneiden?«
Bellini pfiff durch die Zähne. »Vielleicht später. Das ist noch nicht zu Ende.«
Die beiden redeten immer noch miteinander – kurze Wörter, vermutlich Beleidigungen. Plötzlich hatte der Franzose ein Messer in der Hand, das in seiner Hüftschärpe verborgen gewesen sein mußte. Karim wich dem Stich, der auf seine Brust gezielt war, mühelos aus, schlug dem Franzosen das Messer aus der Hand, packte ihn an Kinn und Hinterkopf und brach ihm mit einer schnellen Bewegung das Genick.
Aus anderen Räumen waren nach wie vor Musik, Gerede und Gelächter zu hören. In unserem Saal wirkte alles einen Moment wie erstarrt, in der Bewegung gefroren. Dann schrien ein paar Frauen auf, und mehrere Männer brüllten nach Dienern.
»Ach ja«, knurrte Bellini. »Ich hab’s ja geahnt, daß das hier für mich mit Arbeit enden würde.« Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Ich blieb an die Säule gelehnt stehen, trank und sah zu, wie Lorenzo und einige Männer, die unter den Gästen nicht weiter aufgefallen waren und nun zu ihm gelaufen kamen, den Toten und den Mörder abschirmten. Dabei dachte ich an die Kraft und Geschmeidigkeit dieses Karim Abbas, seine Bewegungen eines erfahrenen Kämpfers, und sagte mir, daß er den tödlichen Griff gründlich an zuvor Lebenden erprobt haben mußte, um ihn so gut zu beherrschen.
Diener kamen herbei. Auf Bellinis Anweisung hin hoben sie den Toten auf und brachten ihn zu einem Wandbehang, der die Tür zu einem Nebenraum verbarg. Dann erschienen Antonio und sein Vater; beide hatten die Maske in der Hand. Sie wechselten einige leise, unhörbare Worte mit Bellini und KarimAbbas. Der Osmane verneigte sich vor dem Gastgeber; ich nehme an, daß er um Vergebung für die Störung des Fests bat. Bellini und seine Männer geleiteten ihn aus dem Palazzo, und ich machte mich auf die Suche nach Laura.
DREI
Abschied und Aufbruch
U nd dann haben sie ihn einfach so laufenlassen?« Goran spuckte aus und schüttelte den Kopf.
»Wen?«
»Diesen Karim.«
Ich seufzte und trat ihm sanft gegen das Holzbein. »Wenn du damit so hüpfen könntest wie mit deinen Gedanken ...«
An diesem Morgen hatten wir einen milden Südwind, und das Meer war beinahe ruhig. Nach dem Morgenmahl war Goran zu einem
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