Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
und einzige Mal in meinem Leben liebevoll umsorgte.
Wenn ich nach Stunden aus der Garküche zu meiner Mutter zurückkam, roch sie jedes Mal an meinem Pullover, an meiner Jacke. »Du stinkst ja erbärmlich!«, sagte sie dann, und: »Ausziehen, sofort!«
Noch im Hausflur zog ich mich ganz aus, und sie stopfte meine Sachen in die Waschmaschine. Anfangs glaubte ich noch, es sei wirklich der Geruch, der sie störte. Später war ich sicher, dass es die Erinnerung an alles Asiatische war, die sie auf diese Weise auszulöschen versuchte.
Bei meiner Mutter schienen sich die Lebensumstände durch den Umzug in den Westen schlagartig zu verbessern. Sie arbeitete bei Daimler, hatte nach wie vor wechselnde Liebhaber und in kürzester Zeit einen immer weiter anwachsenden Freundeskreis. Ich hingegen fühlte mich in meinem neuen Zuhause nie richtig wohl. Nicht nur die Anfeindungen aufgrund meines Aussehens nahmen zu. Ich war ein Fremdkörper, ein Außenseiter unter diesen westdeutschen Kindern und schwäbischen Jugendlichen, und ich fühlte mich auch so. Es hatte sicher auch mit mir selbst zu tun. Ich war ein schwieriges, verschlossenes Kind. Aber umso hübscher. Was vor allem die Erwachsenen ihre Vorurteile schneller vergessen ließ.
Als ich in die Pubertät kam, wurde ich aggressiv, mitunter gewalttätig. Schulhofschlägereien waren an der Tagesordnung. Ich hatte manchmal das Gefühl, meine Mutter sei öfter in der Schule bei den Lehrern als ich selbst. Bis ich schließlich herausfand, dass sie mit einem von ihnen eine Affäre hatte. Was sich aber nicht vorteilhaft auf meine Noten auswirkte. Ich wurde noch widerspenstiger, widersetzte mich jeglichen Disziplinarmaßnahmen, schwänzte manchmal tagelang die Schule und tauchte dann auch zu Hause nicht auf. Es trieb meine Mutter allmählich zur Verzweiflung und meine Lehrer zur Weißglut.
Die Hochachtung in den Augen meiner Mitschüler aber stieg linear zu meinen Eskapaden. Der traut sich was, hieß es und, Hài scheißt sich nichts! Irgendwann hatte ich mir auch mit den Fäusten genügend Respekt verschafft, dass mich selbst die Jungs aus den oberen Klassen in Ruhe ließen. Dann fingen auch die Mädchen an, sich für mich zu interessieren. Und ich mich für sie. Es störte meine Mutter, wenn ich immer wieder andere Mädchen mit nach Hause brachte, als wäre sie die Einzige in der Familie, die Anspruch auf wechselnde Geschlechtspartner hätte.
Als im Deutschunterricht in der elften Klasse des Gymnasiums Berufswünsche diskutiert wurden, war ich offenbar der Einzige, der nicht wusste, was er werden wollte. Als die Lehrerin nicht lockerließ und mich zu einer Aussage drängte, sagte ich mehr aus Trotz als aus Überzeugung: »Ich werde Bulle«, was Gelächter hervorrief. Das wiederum provozierte mich noch mehr. Ich legte nach: »Wenn ihr’s genau wissen wollt, ihr Penner, ich werde Kriminalkommissar!« Das Gelächter nahm zu. Es mischten sich spöttische Zwischenrufe wie »Derrick!« oder »Columbo!« darunter.
Nach dem Abitur begann ich tatsächlich eine Ausbildung bei der Polizei und studierte anschließend auf der Polizeihochschule. Meine Mutter schien das erste Mal stolz auf mich zu sein. Erstaunlicherweise lief es während der Ausbildung gut, aber natürlich gab es auch Vorbehalte vonseiten der Kollegen.
»Was will das Schlitzauge hier?«, hieß es anfangs, feige hinter vorgehaltener Hand. Bei den Vorgesetzten wiederum war ich nicht nur der Vorzeige-Ossi, sondern auch der Quoten-Ausländer, den man wie eine exotische Frucht präsentierte, als Beweis für eine geglückte Integration. Nach dem Motto: Seht her, auch bei den Bullen verschließt man sich nicht der gesellschaftlichen Weiterentwicklung. Wenn es schon schwule Oberbürgermeister gibt, grüne Außenminister und schwarze Fußballnationalspieler, darf es auch schlitzäugige Bullen geben.
Mich kümmerte das wenig. Das Argument der Fäuste hatte ich längst durch das der Leistung ersetzt. Ich punktete mit Qualität. Mein unschlagbarer Vorzug war, dass ich besser war als die meisten anderen. In allem. Es gab kein Fach, in dem ich die anderen nicht abhängte. Natürlich rief das Neid hervor, vor allem aber Respekt.
Die Schlitzaugen traten in den Hintergrund. Der Karriere stand nichts mehr im Weg. Nach dem Studium schlug ich den Weg zum gehobenen Polizeivollzugsdienst ein. Nach meinem Abschluss als Jahrgangsbester ließ ich mich nach Berlin versetzen und arbeitete beim Drogendezernat. Ab und zu wurde ich für Sonderaufgaben
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