Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
halten. Sie war müde, rieb sich die Augen, erzählte von sich. Sie wollte Schauspielerin werden und hatte am nächsten Tag ein Vorsprechen an der renommierten Schauspielschule Ernst Busch.
»Ich bin schon jetzt ganz aufgeregt.«
Er hörte zu, nickte und sah ihren Mund, wie er sich schnell auf und zu bewegte. Dahinter schimmerten weiße Zähne. Sie nippte am Milchkaffee.
»Ui, heiß!« Sie spitzte die Lippen und blies in den Milchschaum. Warme Luft wehte über den Tisch zu ihm herüber. Die kleinen Brüste unter ihrem T-Shirt hüpften. Das … it’s brain zappelte. Er versuchte zu lächeln und merkte, wie sein Mund, dann das ganze Gesicht verkrampfte.
»Was spielst du vor?«, fragte er, während sie die Tasse zurück auf den Tisch stellte, sich durch die Haare strich und die Hände um die Knie legte.
»Julia.«
»Die Szene mit dem Gift?«
»Ja.«
»Und Doreen?«, fragte er. »Was spielt Doreen?«
»Marie von Woyzeck , Büchner. Doreen ist verdammt gut. Die wird’s schaffen.«
»Du auch.«
»Hm, ich weiß nicht. Ich bin mir da nicht sicher.«
»Ich aber.«
Sie lächelte und stand auf. »Ich muss los«, sagte sie, als sei es ihr unangenehm, darüber zu reden.
Sie zog sich an.
»Bis heute Abend.«
Sie lag auf der Couch vor dem Fernseher und fragte, ob er sich zu ihr setzen wolle.
»Ich habe Wein gekauft, gegen die Nervosität.«
Er schenkte sich ein Glas ein und setzte sich an das andere Ende. Im Fernsehen lief Das Fenster zum Hof , Grace Kelly und James Stewart.
»Da geht etwas vor sich.«
»Das reimt sich nicht zusammen, Jeff. Frauen sind nicht so unberechenbar …«
Sie lachte. Sie stießen an.
»Prost.«
»Prost.«
Irgendwann schlief sie ein; dabei berührten ihre Füße sein Bein. Es waren zehn rote Punkte auf schwarzem Stoff. Er versuchte, sich nicht zu bewegen, schaute ihr beim Schlafen zu, lauschte ihrem gleichmäßigen Atmen, betrachtete den offen stehenden Mund, die Gesichtszüge, die ihn an sich selbst erinnerten. Sie hat Ähnlichkeiten mit mir , dachte er. Die Nase, die kleinen Ohren mit den angewachsenen Ohrläppchen. Ihr gelbes T-Shirt war hochgerutscht und das … it’s brain zerknittert. Unter dem Stoff guckte ein weißes Höschen hervor.
Auf dem Bildschirm wurden Heizdecken verkauft. Eine Anzeige am rechten oberen Rand zeigte an, dass es nur noch 632 Stück gab. Bei 128 Stück schlief er ein. Als er aufwachte, lag sie nicht mehr auf der Couch. Der Fernseher war aus, sein Kopf schmerzte. Hinter den Vorhängen schimmerte es hell.
Sie war im Bad. Er stand im Flur an der Tür und lauschte. Das Wasser rauschte. Sie summte zuerst, dann sang sie, Hi freaks, look at me/ Autogramme vis-à-vis/ Gegenüber eines Raums/ Der ein anderer ist/ Was wir sehen, bedeutet nichts/ Der sogenannte Realismus/ Fällt nicht weiter ins Gewicht/ Dein Gesicht ist eine Welt/ Deren Umriss mir gefällt …
Zuerst leise, dann lauter. Das Wasserrauschen endete, und die Tür ging auf.
»Kannst du mir ein Handtuch bringen?« Er hielt dem nackten Arm ein Badetuch entgegen und wartete, bis es im Türspalt verschwand.
»Danke.«
Lange hörte er nichts mehr. Er setzte sich in die Küche und rauchte von ihren Zigaretten.
Als sie weg war, war das Bad noch immer voller Dampf. Auf den Bodenfliesen waren kleine Wasserpfützen. In der Wanne klebten gekräuselte Haare an der Emaille. Das feuchte Badetuch lag zusammengeknüllt auf der Waschmaschine. Der Spiegel war angelaufen. Er wischte mit der flachen Hand über das Glas. Ein verzerrtes Gesicht blickte ihn an, tiefe Falten um den Mund und auf der Stirn. Er wischte den Boden, öffnete das Fenster und hängte das Badetuch auf.
»Und?«, fragte er.
Ihr Daumen ging nach oben. Dann fiel sie ihm um den Hals. »Nur Doreen haben sie nicht genommen«, sagte sie, und die Freude war für einen Moment getrübt. Aber nur bei ihr. Er hingegen war überglücklich.
»Dann sehen wir uns jetzt öfter?«, fragte er.
»Und ob. Bis dahin sind es aber noch ein paar Monate.«
Er wagte nicht, zu fragen, ob sie bei ihm wohnen wolle, wenn sie nach Berlin zog. Vielleicht ginge das alles zu schnell; womöglich bräuchte sie Zeit.
»Jetzt fahre ich erst mal zurück. Im Herbst bin ich dann wieder hier und such mir ’ne Wohnung. Bis dahin können wir ja telefonieren.«
Er nickte, war ein wenig enttäuscht, ließ sich aber nichts anmerken.
»Ja.«
Sie packte ihre Tasche.
»Grüß deine Mutter.«
»Ich weiß nicht, ob sie sich darüber freut.«
Sie zog die Wohnungstür hinter sich zu.
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