Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
Mühlbauer zu ködern. Wo die Eitelkeit groß ist, ist das Misstrauen gering. Kleeberg gibt sich als Journalist aus und behauptet, er wolle einen großen Artikel schreiben, über einen Politiker aus der Provinz in der Hauptstadt. Der Tenor: Ein Leben zwischen zwei Welten. Unter der Woche die große Politik in Berlin, am Wochenende bei den Lieben auf dem Lande.
ER
»Und darüber, wie man das aushält, diesen Spagat, verstehen Sie?«
ICH
Mühlbauer versteht und sagt sofort zu. Der Hinterbänkler wittert den Ruhm, glaubt sich schon im Rampenlicht. Zum Herzeigen im eigenen Wahlkreis.
ER
»Haben Sie Lust?«
»Wann? Wo?«
»Wenn es noch nächste Woche erscheinen soll, dann möglichst sofort.«
ICH
Kleeberg merkt, wie Mühlbauer am anderen Ende der Leitung abwägt. Auf der einen Seite der volle Terminkalender, auf der anderen die Aussicht auf Aufmerksamkeit, Ansehen, Karriere.
ER
»Und?«
»Wie lange wird es dauern?«
»Nicht lange, ein, zwei Stunden. Wir können es gerne am Abend machen.«
ICH
Mühlbauer verlegt in Gedanken die Termine und sucht einen Weg, sich ein Zeitfenster von zwei Stunden freizuräumen.
ER
»Es soll etwas Außergewöhnliches werden. Nicht das lieblos zusammengezimmerte Porträt, das man liest und ebenso schnell wieder vergisst. Nein, es soll nachhaltig sein.«
ICH
Nachhaltigkeit ist das Zauberwort. Mühlbauer wittert plötzlich nicht mehr nur den kurzzeitigen Ruhm, sondern dauerhaften.
ER
»Da sind Bilder natürlich entscheidend.«
»Sie meinen Fotos?«
»Ja. Ich habe mir da etwas Besonderes ausgedacht. Ich würde Sie gerne für das Porträt an einem ungewöhnlichen Ort in Berlin fotografieren. Natürlich nur, wenn Sie wollen.«
ICH
Mühlbauer will. Alles, was ihn von der politischen Masse abhebt, ist ihm recht. Alles, was Aufsehen erregt im grauen Einheitsbrei der politischen Anzüge, kommt ihm gelegen.
Jetzt interessiert Mühlbauer nur noch, wo das Ganze stattfinden soll. Ein kurzer Augenblick der Ruhe entsteht. Als müsse Kleeberg nachdenken. Dann schlägt er den Teufelsberg vor.
ER
»Nehmen Sie ein Taxi. Fahren Sie den Berg hoch, bis es nicht mehr weitergeht. Steigen Sie an der Schranke aus und gehen Sie bis zur Kuppel hoch. Da warten mein Fotograf und ich auf Sie. Um halb elf?«
»Ist es da nicht zu dunkel? Für die Bilder, meine ich.«
»Wir arbeiten mit Blitz und ein paar Scheinwerfern, alles ganz professionell.«
»In Ordnung.«
»Also abgemacht?«
»Ja.«
»Gut. Ich freue mich.«
ER
Er ist da.
»Hallo, Herr von Manske?«
Als er den Namen hört, muss er schmunzeln. Er hat ihn sich ausgeliehen. Danke, liebe Berliner Zeitung , denkt er und wirft einen Stein in die Richtung, aus der Hans-Joachim Mühlbauer auftaucht.
»Hallo? Wo sind Sie?«
Er ist genau hinter ihm. Noch ehe Mühlbauer die Chance hat, es zu bemerken, schlägt er ihm eine Holzlatte an den Kopf. Gerade fest genug, dass Mühlbauer zu Boden geht und für kurze Zeit das Bewusstsein verliert.
Als er wieder zu sich kommt und die Augen aufschlägt, ist er an Beinen und Händen gefesselt. Er liegt auf der Erde. Als er ihn über sich sieht, fragt er fassungslos: »Was machen Sie denn hier?«
»Was denkst du?«
Er setzt sich auf einen Stuhl neben Mühlbauer. Einige Grablichter brennen. Mühlbauer richtet umständlich seinen Oberkörper auf.
»Sie sind …«
»Exakt.«
»Aber warum? Warum wollten Sie …?«
»Glaubst du an Gott?«, unterbricht er ihn.
Mühlbauer sitzt wie ein Kind auf dem Boden. Die Hände sind hinter dem Rücken gefesselt, die Beine an den Füßen zusammengebunden. »Was soll das?«
»Ich habe dich gefragt, ob du an Gott glaubst.«
»Ja … natürlich.« Mühlbauer nickt mehrmals, um seine Worte zu unterstreichen.
»Ich glaube an die Gerechtigkeit. Und daran, dass es jemanden geben muss, der sie gewährleistet. Gott scheint das nicht zu sein.«
»Was hat das mit mir zu tun?«
»Das kannst du dir nicht denken, was? Das wundert dich, nicht wahr? Du hättest nicht geglaubt, dass da noch eine Rechnung offen ist, stimmt’s?«
»Was für eine Rechnung?« Mühlbauer schaut ihn an, als verstünde er nichts, rein gar nichts.
»Du hast Unverschämtes verlangt. Jetzt musst du dafür bezahlen. Du brauchst es erst gar nicht abzustreiten. Ich weiß es. Die Mutter hat dir nicht gereicht. Du musstest auch die Tochter haben, nicht wahr? Du konntest nicht widerstehen. Sie hat dich zu sehr an ihre Mutter erinnert, nur zwanzig Jahre jünger. Die unverbrauchte Variante sozusagen, nicht
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