Das Laecheln Deines Moerders
und konzentrierte sich auf den Jungen, um den es hier letztendlich ging. »Sie sind doch sicher auch der Meinung, dass die Ausbildung Ihres Sohnes wichtiger ist als alle anderen Aktivitäten.«
Lutz’ kantiges Kinn spannte sich. Er nahm mit bewusster Geste den Hut ab, unter dem gut gepflegtes Haar mit einem Hauch Silber an den Schläfen zum Vorschein kam. Ein distinguierter Gangster, dachte Jenna und versuchte, die Alarmglocken, die in ihrem Kopf schrillten, zum Schweigen zu bringen. Lutz hatte inzwischen begonnen, sie von Kopf bis Fuß zu mustern. Er tat es mit einem Ausdruck kultivierter Verachtung und mit sexuellem Interesse, das in seiner Direktheit eindeutig als Beleidigung gedacht war. Jenna hatte plötzlich das Gefühl, in einem Bikini dazustehen, nicht in ihrem dezenten Kostüm, dessen Rock bis zu den Knien reichte. Wieder wartete sie darauf, dass Blackman ihr zur Hilfe kam. Wieder wartete sie vergeblich.
Lutz trat einen Schritt vor und lächelte. Jenna war plötzlich kalt. Das Lächeln des Mannes war ganz und gar nicht freundlich gemeint. Dies war Drohverhalten in Reinform.
Sie räusperte sich. »Sie sind doch meiner Meinung, nicht wahr, Mr. Lutz?«, fragte sie freundlich.
Lutz lächelte wieder. »Miss Marshall—«
»Dr.
Marshall.« Ihr dünnes Lächeln ließ alle Wangenmuskeln erzittern.
»Miss
Marshall«, wiederholte er mit zusammengebissenen Zähnen, und Jenna hob halbherzig eine Schulter.
»Jetzt verstehe ich, wo sich Ihr Sohn diesen eklatanten Mangel an Respekt abgeschaut hat«, murmelte sie, ohne den Blick abzuwenden. Mr. Gangster würde zuerst wegsehen müssen, denn sie dachte ja gar nicht daran.
Lutz trat noch einen Schritt näher heran; die Spitzen seiner schwarzen, polierten Schuhe standen nun direkt vor ihren offenen Sandalen. Nun musste sie doch zu ihm aufschauen, denn er war noch etliche Zentimeter größer als sie. »Sie scheinen nicht zu wissen, wer ich bin,
Miss
Marshall. Ich könnte diese Schule ohne weiteres kaufen und wieder verkaufen, wenn ich wollte. Einfach so.« Er schnippte direkt neben ihrem Ohr mit den Fingern, aber sie schaffte es, nicht zusammenzuzucken. »Ich könnte Sie feuern lassen. Einfach so.« Er schnippte erneut, dieses Mal noch näher an ihrem Ohr. »Sie haben mir eine Menge Ärger bereitet,
Miss
Marshall. Ich war gerade dabei, eine wichtige geschäftliche Verhandlung in Boston zu führen, als mein Sohn anrief und mir sagte, dass man ihn vom Team suspendiert hat. Ich musste meine Geschäfte abbrechen, um nach Hause zu fliegen und meiner Frau zu versichern, dass der Scout, den ihr Vater zum nächsten Spiel eingeladen hat, meinen Sohn auch wirklich spielen sehen würde.«
»Der Scout wird Ihren Sohn heute nicht spielen sehen.« Jenna hoffte inständig, dass sie sich ruhig und bestimmt anhörte, denn ihr Herzschlag spielte inzwischen verrückt. »Der Scout kann Ihren Sohn spielen sehen, sobald Rudy bei mir bessere Noten erzielt.« Sie trat einen Schritt zurück und straffte die Schultern. Wenn die beiden Männer in diesem Raum darauf verzichten wollten, sich wie Erwachsene zu benehmen, dann würde sie es eben für sie alle drei tun. Gerade unter Druck musste man Würde beweisen, wie ihr Vater immer zu sagen pflegte.
»Es kann sein, dass Sie diese Schule nach Gusto kaufen und verkaufen können, Mr. Lutz, aber mich nicht. Wenn mir Geld so viel bedeuten würde, dann wäre ich garantiert nicht hier. Aber ich
bin
hier, und zwar deshalb, weil ich Kindern etwas beibringen will. Ohne die elterliche Unterstützung kann daraus aber nichts werden. Wenn es uns nicht gelingt, um Rudys willen zusammenzuarbeiten, dann können Sie gerne versuchen, seinen Lehrer im nächsten Jahr einzuschüchtern, wenn Rudy die Klasse wiederholt. Guten Tag, Sir.« Jenna wandte sich um und stand Blackman gegenüber. Sein leichenblasses Gesicht war mit zornroten Flecken übersät. Sie neigte andeutungsweise den Kopf. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. »Und vielen Dank für Ihre Unterstützung, Dr. Blackman.«
Die Tasche über die Schulter geworfen, marschierte Jenna aus dem Büro. Draußen begann sie so heftig zu zittern, dass sie sich an der Wand abstützen musste.
Freitag, 30. September, 16.20 Uhr
V erdammt!« Steven bewegte sich im Laufschritt auf Brads Schule zu. Er kam zwanzig Minuten zu spät zu seiner Verabredung mit Dr. Marshall. Er hatte von Glück sagen können, dass sie sich darauf eingelassen hatte, Freitagnachmittag noch auf ihn zu warten. Dass sie jetzt noch da sein
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