Das Laecheln Deines Moerders
nicht warten, Dr. Marshall«, antwortete er mit eisiger Stimme. »Kommen Sie bitte mit.« Und ohne auf eine Antwort zu warten, machte er auf dem Absatz kehrt.
Jenna ließ ihren Blick durch die Halle schweifen. Da war niemand, der nach einem Vater aussah, also kämpfte sie ihren Ärger nieder und folgte dem Direktor in sein Büro. Blieb nur zu hoffen, dass das, was so ungemein wichtig war, nicht viel Zeit in Anspruch nehmen würde.
In Blackmans Büro stand ein Mann mit dem Rücken zu ihnen am Fenster. Er war sehr groß, seine Schultern waren breit und kräftig. Er trug einen schwarzen Filzhut und hatte einen Mantel über dem Arm. Jenna zog die Brauen hoch. Draußen war es ziemlich frisch für diese Jahreszeit, aber der Mantel war absolut unnötig. Dann wandte der Mann sich um, und Jennas Herz setzte einen Moment aus, als seine schwarzen Augen sie fixierten. Sein Körper schien zu vibrieren, obwohl er vollkommen reglos verharrte.
Dieser Mann war wütend, und zwar auf sie. Und sie war sich sicher, dass sie ihn noch nie gesehen hatte.
Dr. Blackman schloss die Tür. »Dr. Marshall, das ist Mr. Lutz. Ich nehme an, Sie kennen sich?«
O Gott,
dachte Jenna. Ihr Puls raste nun. Lutz. Der Vater des Star-Quarterbacks der Schulmannschaft. Der Star-Quarterback, der auf der Ersatzbank bleiben musste, bis er seine Chemienoten wenigstens wieder auf ein C gebracht hatte. Nun, das war die übliche Verfahrensweise in dieser Schule, dachte sie trotzig, bevor ihr Erinnerungsvermögen einsetzte und ihr jedes Wort des Telefonats mit Mr. Lutz erneut ins Bewusstsein rief. Panik überkam sie. Er war wütend gewesen, weil sie seinen Sohn durch den letzten Chemietest hatte fallen lassen. Er hatte sie beschimpft. Noch eine Stunde nach dem Telefonat hatte sie am ganzen Körper gezittert. Und nun starrte er sie unentwegt an. Die Augen unter der Krempe des schwarzen Hutes schimmerten seltsam.
Er glaubt, dass er gewonnen hat,
dachte Jenna. Ein Hauch Verärgerung mischte sich in die Furcht.
Er glaubt, dass ich nun kuschen muss. Aber der wird sich noch wundern!
»Wir haben kurz miteinander telefoniert«, sagte sie, dankbar, dass ihre Stimme kühl und gefasst klang. Und zutiefst zufrieden, dass sie in ihren hohen Pumps groß genug war, um nicht zu ihm aufschauen zu müssen. »Mr. Lutz’ Sohn, Rudy, ist in einem meiner Kurse.«
Förderkurse,
fügte sie im Stillen hinzu. »Falls er sich denn bequemt, zu erscheinen. Im Augenblick tut er es nicht.«
Lutz’ dunkle Augen blitzten auf. »Mein Sohn ist aus dem Team genommen worden.«
»Wie die Schulpolitik es verlangt«, gab Jenna selbstsicher zurück. Sie wusste, dass Blackman ihr zustimmen
musste
– schließlich vertrat er als Rektor die Schulpolitik.
Doch es geschah nichts. Das Schweigen wurde erdrückend, während sie sich zwang, Lutz’ Blick standzuhalten.
»Vielleicht sollte man sich Rudys Arbeit noch einmal ansehen«, sagte Blackman hinter ihr betont sanft. »Es könnte doch sein, dass seine Antworten … fehlinterpretiert worden sind.«
Jenna wandte sich langsam um und starrte Blackman an. Sie war fassungslos. »Es war ein Multiple-Choice-Test. Zum Teil mit Wahr-oder-falsch-Fragen«, sagte sie kühl.
»Wahr
oder
falsch,
kennen Sie das? Oder A, B, C oder keine der drei. Es ist schon sehr schwierig, bei solchen Antworten falsch zu interpretieren, zumal Rudy nichts als seinen Namen oben auf die Seite geschrieben hat. Er hat nicht einmal zu raten versucht. Rudy hat den Test nicht bestanden, Dr. Blackman, genauso wenig wie den davor. Und er besteht deshalb nicht, weil er nicht zum Kurs erscheint. Und falls doch, sitzt er ganz hinten und flirtet auf Teufel komm raus.«
Mit jedem Mädchen, dessen Selbstwertgefühl niedrig genug ist, um sich von Rudy beeindrucken zu lassen,
fügte sie im Stillen hinzu. Sie holte tief Luft. »Die Note steht fest.«
Dr. Blackmans hageres Gesicht nahm eine dunkelrote Färbung an. Sie bemerkte, dass seine Hände zitterten, als er sie in die Taschen schob. »Dr. Marshall, ich fürchte, Sie unterschätzen die Tragweite einer Suspendierung sowohl für Rudy als auch für unser Schulteam.«
Oh, um Himmels willen,
dachte sie. Ihre Haut begann zu prickeln. »Und Sie unterschätzen, wie ernst ich meine Verantwortung als Lehrerin nehme. Die übrigens darin liegt, dafür zu sorgen, dass Mr. Lutz’ Sohn etwas lernt.« Sie wandte sich wieder zu Lutz um, und der eiskalte Blick seiner Augen durchfuhr sie wie ein elektrischer Schlag. Sie schob ihre Furcht beiseite
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