Das Laecheln Deines Moerders
Klassenraum endlich erreicht hatten, lehnte sich Casey erschöpft an einen Spind und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Hör mal, Jenna, Joggen am Morgen soll ja gesund sein, aber du hättest mir wenigstens die Zeit lassen können, meine Rennpumps anzuziehen.« Sie hob einen Fuß und rieb sich den Knöchel. »Was ist denn los mit dir?«
»Nichts.« Jenna wühlte in ihrer Tasche auf der Suche nach den Schlüsseln. »Ich habe bloß gestern Nacht nicht allzu viel geschlafen, und Blackman hat mir eben wegen der Note von Rudy Lutz eine Breitseite verpasst.«
»Genau darüber wollte ich mit dir reden«, sagte Casey mit einem bekräftigenden Nicken.
Jenna zog die Tüte Hundekuchen aus der Tasche und drückte sie Casey in die Hand. »Was – über Rudys Note? Ich wusste ja gar nicht, dass auch du dieses Jahr das Vergnügen hast, Seine Hoheit in deinen Räumlichkeiten zu empfangen. Wie auch immer, ich habe keine Lust, dieses Thema hier auf dem Flur zu erörtern. Wo zum Teufel sind die Schlüssel?«
Casey schürzte die Lippen. »Rudys Note ist mir doch völlig egal. Nein, ich wollte mit dir über den Grund sprechen, aus dem du gestern Nacht nicht schlafen konntest.«
»Auch dieses Thema will ich jetzt nicht diskutieren. Vor allem nicht hier. Geh weg, Casey.« Wütend schob sie erneut die Hand in die Tasche und fluchte, als sie etwas in den Finger stach. Grummelnd zog sie eine Nagelpfeile aus der Tasche und platzierte sie in Caseys hilfreich ausgestreckte Hand. »Jetzt sag mir bloß nicht, dass ich die Schlüssel in Blackmans Büro vergessen habe. Dahin gehe ich heute garantiert nicht mehr. Verdammt und zugenäht!«
»Jetzt hör doch mal, Jen. Ich habe über Adam und … und … du weißt schon nachgedacht.«
Jenna blickte verärgert auf. »Welchen Teil von ›vor allem nicht hier‹ hast du nicht verstanden?«, knurrte sie.
Casey senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Schau, Jen, du musst aufhören, dir immer wieder in Erinnerung rufen zu wollen, wie es zwischen dir und Adam war. Ich glaube, du weißt gar nicht mehr wirklich, wie er vor seiner Krankheit gewesen ist, aber
ich
kann mich noch sehr gut erinnern. Du warst absolut zufrieden mit der Beziehung. Du hast es mir gesagt.«
Jenna verharrte mitten in der Bewegung. »Habe ich das?«
Caseys Locken tanzten, als sie heftig nickte. »Und ob. Ich schwöre es.« Sie grinste. »Und zwar in der Nacht, als wir versucht haben, das beste Rezept für Long Island Ice Tea herauszufinden. Damals hast mir ziemlich viele deftige Details verraten.«
Jenna senkte den Blick und starrte in ihre Tasche. Sie fühlte sich plötzlich schlechter denn je, auch wenn sie nicht geglaubt hätte, dass das möglich war. Sie erinnerte sich noch gut an die Nacht mit dem Long Island Ice Tea. Sie erinnerte sich an die deftigen Details und daran, dass sie wahrhaftig zufrieden gewesen war. Das war ja das Problem. Denn das, was sie empfunden hatte, als sie Steven Thatchers Hand gehalten hatte, war von Zufriedenheit meilenweit entfernt.
Es war Begierde gewesen. Reine, ungehemmte Begierde. Lust ganz nach dem Motto »Nach mir die Sintflut«, Lust, der es egal war, was am Tag danach geschah. Und diese Empfindung verhielt sich zu jeder anderen ihr bekannten Erfahrung wie
Rocky-Road
-Eis von Häagen Dazs zu herkömmlichem Vanilleeis aus einem Billig-Discounter. Sie schluckte den Kloß, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte, hinunter. Adam hatte viel Besseres verdient, als mit herkömmlicher Vanille verglichen zu werden. Sie fühlte sich wie eine elende Verräterin, überhaupt so einen Vergleich angestellt zu haben. In diesem Moment schlossen sich ihre Finger um die Schlüssel, und sie seufzte erleichtert. »Ich hab sie. Endlich«, sagte sie mit belegter Stimme. »Casey, musst du jetzt nicht irgendwo sein?«
»Klar. Wahrscheinlich stehen jetzt zweiunddreißig hechelnde Teenies um meinen Tisch, auf dem ich ›versehentlich‹
Lady Chatterleys Liebhaber
liegen lassen habe.« Sie grinste. »Mal sehen, wie lange es dauert, bis sie bemerken, dass ich den Schutzumschlag des Buches um die
Illias
gemacht habe.« Plötzlich zog sie die Brauen zusammen. »Nanu?«
Jenna erstarrte. Sie hatte den Schlüssel ins Schloss gesteckt und festgestellt, dass die Tür bereits offen war. Nun gab sie der Tür mit dem Zeigefinger einen leichten Stoß. Knarzend öffnete sie sich.
»Ach du Schande«, zischte Casey. »Ich fass es nicht.«
Jenna war sprachlos. Ihr Klassenzimmer war verwüstet.
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