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Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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anschließend sofort einen Kumpel von ihm heiratete und Zwillinge zur Welt brachte) begann Bindjushny zu trinken.
    Weder das gute Zureden seiner Freunde noch die scharfen Rügen seiner Vorgesetzten nutzten. Bindjushny wurde wieder zum einfachen Einsatzmann degradiert und in ein sogenanntes »Klärbecken« geschickt – aufs Milizrevier von Skarabejewka, das im Bezirk als gottverlassener Krähwinkel galt.
    Aus seinem früheren Leben war Bindjushny eine winzige Datscha in Skarabejewka geblieben, wo er jetzt sommers wie winters hauste, zusammen mit einem rostigen Shiguli, der Promenadenmischung Chimka, und einem räudigen, kränklichen Bärenjungen namens Chottab, das sein Cousin, ein Forstaufseher, vor Wilderern gerettet und Bindjushny geschenkt hatte.
    Außer dieser kleinen Hütte besaß Bindjushny aber auch noch eine Banja. Er hatte sie eigenhändig gezimmert, eine Sträflingsarbeit, für die er seinen ganzen Urlaub geopfert hatte. In diese nagelneue, nach Fichtenholz und Lindenbast duftende Banja lud er alle seine Freunde ein, um mit ihnen zusammen den Jahreswechsel zu feiern.
    Schon am frühen Abend schwitzten sie alle in der Banja. Punkt zwölf, beim letzten Schlag der Turmuhr, begossen sie sich aus Krügen, Gläsern, Kübeln und Kesseln und brachten mit schallender Stimme Trinksprüche aus. Dann schlugen sie sich wieder mit Birkenreisern, übergossen sich und tranken erneut – auf die Anwesenden, die Abwesenden, auf die, die Dienst taten und die, die in Tschetschenien waren, auf alle zu Wasser und zu Lande Reisenden, auf die Frauen (leider war dies ein reiner Männerabend) und auf die wahre Liebe.
    Der letzte Toast machte viele traurig. Bindjushny dachte, während er Holz in den bis zur Rotglut erhitzten Ofen nachlegte, an seine Ehe zurück. Verdammt, sie hatten doch gar nicht so übel gelebt! Was hatte ihr denn gefehlt?
    Und Nikita . . . Hätte Katja, die zu dieser Zeit weit weg, hinter Wäldern, Feldern und Schneewehen war, erfahren, wie der Chef der Mordkommission Silvester feierte, so hätte sie sich über manche verblüffende Ähnlichkeit ihrer Feiertagsrituale gewundert. Aber Katja verschwendete in diesem Moment keinen Gedanken daran. Übrigens war Kolossows Miene, als sie auf die »wahre Liebe« tranken, undurchdringlich. Wie aus Stein.
    An die Tage nach der Banja erinnerte Nikita sich nur undeutlich. Am zweiten Januar waren aus dem in der Nähe gelegenen Trainingscamp noch mehr Leute zu ihnen gestoßen. Sie brachten zwei nagelneue Schneeräumfahrzeuge mit, eins davon setzten sie schon am dritten Januar in eine Schneewehe, als sie darin wetteiferten, die Steilabhänge der Schlucht zu bewältigen.
    Am fünften Januar wurde beschlossen, etwas für die Gesundheit zu tun. Bindjushny heizte von neuem die Banja an. Die Gäste wurden langsam wieder nüchtern. Der eine oder andere rieb sich kühn draußen auf der Straße mit Schnee ein. Nikita zog sich bis zum Gürtel aus und ging Holz hacken.
    Und da klingelte in seiner Jacke, die er auf die vereiste Terrasse geworfen hatte, das Mobiltelefon. Es meldete sich der Diensthabende aus dem Präsidium. Seine Nachricht war kurz: In der Rubljowskoje-Chaussee, im Spielkasino »Roter Mohn«, hatte es einen Selbstmord gegeben. Vielleicht handelte es sich aber auch um einen Mord – vorläufig war das noch nicht geklärt.
    »Sie, Nikita Michailowitsch, halten sich doch in unmittelbarer Nähe auf, in Skarabejewka. Daher sollten Sie auch zum Ort des Geschehens fahren.«
    Zum ersten Mal im Leben versuchte Kolossow sich vor einem Einsatz zu drücken: »Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, kann doch die Staatsanwaltschaft jemanden schicken!«
    »Es sind Ferien, Nikita Michailowitsch«, erwiderte der Diensthabende. »Sie wissen selber, wie es da bei der Staatsanwaltschaft aussieht!« »Und das Einsatzkommando?« Kolossow griff nach dem letzten Strohhalm. »Ist schon in anderer Sache unterwegs.« Der Tonfall des Diensthabenden war beinahe mitfühlend. »Und Sie sind ganz in der Nähe.«
    Bindjushny erwies sich als wahrer Freund und begleitete ihn. Swiderko ließen sie zurück, er sollte auf den Ofen, den Teekessel und den kleinen Bären aufpassen. Außerdem befand er sich, trotz aller Einreibungen mit Schnee, noch in einem Zustand, in dem ein Milizionär sich besser nicht in der Öffentlichkeit sehen ließ.
    Das solide zweistöckige Haus aus rotem Backstein mit Ziegeldach war ein imposantes Gebäude. Wären nicht die pulsierende bunte Leuchtreklame und die im Dunkeln blutrot

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