Das Lächeln der Frauen
hätte geträumt haben können, wurde
mit Anbruch dieses grauen Novembermorgens unwiderruflich. Reglos lag ich da und
lauschte, aber die Wohnung blieb still. Aus der Küche kam kein Geräusch.
Keiner, der mit den großen dunkelblauen Tassen herumklapperte und leise
fluchte, weil die Milch übergekocht war. Kein Duft nach Kaffee, der die
Müdigkeit vertrieb. Kein leises Surren eines elektrischen Rasierers. Kein Wort.
Ich
wandte den Kopf und sah zur Balkontür hinüber, die leichten, weißen Vorhänge
waren nicht zugezogen und ein kalter Morgen drückte sich gegen die Scheiben.
Ich zog die Decke fester um mich und dachte daran, wie ich gestern mit meinen
Macarons nichtsahnend in die leere, dunkle Wohnung getreten war.
Nur
das Licht in der Küche brannte, und ich hatte einen Moment verständnislos auf
das einsame Stilleben gestarrt, das sich im Schein der schwarzmetallenen Hängelampe
meinem Blick darbot.
Ein
handgeschriebener Brief, der offen auf dem alten Küchentisch lag, darauf das
Glas Aprikosenmarmelade, mit der Claude sich am Morgen sein Croissant
bestrichen hatte. Eine Schale mit Obst. Eine Kerze, zur Hälfte abgebrannt. Zwei
Stoffservietten, die nachlässig zusammengerollt waren und in silbernen
Serviettenringen steckten.
Claude
schrieb mir nie, nicht einmal einen Zettel. Er hatte eine manische Beziehung zu
seinem Mobiltelefon, und wenn sich seine Pläne änderten, rief er mich an oder
hinterließ eine Nachricht auf meiner Mailbox.
»Claude?«
rief ich und hoffte noch irgendwie auf eine Antwort, aber da griff schon die
kalte Hand der Angst nach mir. Ich ließ die Arme sinken, die Macarons rutschten
aus der Schachtel und fielen in Zeitlupe auf den Boden. Mir wurde ein bißchen
schwindlig. Ich setzte mich auf einen der vier Holzstühle und zog das Blatt
unglaublich vorsichtig zu mir heran, als ob das etwas hätte ändern können.
Wieder
und wieder hatte ich die wenigen Worte gelesen, die Claude in seiner großen,
steilen Schrift zu Papier gebracht hatte, und am Ende meinte ich seine rauhe
Stimme zu hören, ganz nah an meinem Ohr, wie ein Flüstern in der Nacht:
Aurélie,
ich habe die Frau meines Lebens kennengelernt. Es
tut mir leid, daß es gerade jetzt passiert ist, aber irgendwann wäre es sowieso
geschehen.
Paß gut auf Dich auf
Claude
Erst
war ich reglos sitzengeblieben. Nur mein Herz klopfte wie verrückt. So also
fühlte es sich an, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Am Vormittag
hatte Claude sich noch mit einem Kuß im Flur von mir verabschiedet, der mir
besonders zärtlich schien. Ich wußte nicht, daß es ein Kuß war, der mich
verriet. Eine Lüge! Wie erbärmlich, sich auf diese Weise davonzustehlen!
In
einer Aufwallung von ohnmächtiger Wut zerknüllte ich das Papier und warf es in
eine Ecke. Sekunden später hockte ich laut aufschluchzend davor und strich den
Bogen wieder glatt. Ich trank ein Glas Rotwein und dann noch eines. Ich zog
mein Telefon aus der Tasche und rief Claude immer wieder an. Ich hinterließ
verzweifelte Bitten und wilde Beschimpfungen. Ich ging in der Wohnung auf und
ab, nahm wieder einen Schluck, um mir Mut zu machen, und schrie in den Hörer,
er solle mich auf der Stelle zurückrufen. Ich glaube, ich habe es ungefähr
fünfundzwanzigmal probiert, bevor ich mit der dumpfen Klarsichtigkeit, die der
Alkohol einem bisweilen beschert, zu der Erkenntnis kam, daß meine Versuche
vergeblich bleiben würden. Claude war bereits Lichtjahre entfernt, und meine
Worte konnten ihn nicht mehr erreichen.
Mein
Kopf schmerzte. Ich stand auf und tappte in meinem kurzen Nachthemd -
eigentlich war es das viel zu große blau-weiß gestreifte Oberteil von Claudes
Pyjama, das ich mir in der Nacht noch irgendwie übergezogen hatte - durch die Wohnung
wie eine Somnambule.
Die
Tür zum Badezimmer stand auf. Ich ließ meinen Blick schweifen, um mich zu
vergewissern. Der Rasierapparat war verschwunden, ebenso wie die Zahnbürste und
das Aramis -Parfum.
Im
Wohnzimmer fehlte die weinrote Kaschmirdecke, die ich Claude zum Geburtstag
geschenkt hatte, und über dem Stuhl hing nicht wie sonst achtlos hingeworfen
sein dunkler Pullover. Der Regenmantel an der Garderobe links neben der
Eingangstür war fort. Ich riß den Kleiderschrank auf, der im Flur stand. Ein paar
leere Kleiderbügel schlugen mit leisem Klirren gegeneinander. Ich holte tief
Luft. Alles ausgeräumt. Selbst an die Socken in der untersten Schublade hatte
Claude gedacht. Er mußte seinen Abgang sehr
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