Das Laecheln der Sterne
Gedenken an seinen Vater.
Oder für Marks Zukunft. Aber insgeheim wusste er, dass er nur für sich selbst arbeitete.
Wenn er etwas nennen sollte, was er an diesen Jahren am allermeisten bedauerte, dann war es die fehlende Beziehung zu seinem Sohn. Doch obwohl Paul im Leben seines Sohnes kaum eine Rolle gespielt hatte, entschied sich Mark zu Pauls großer Überraschung dazu, Arzt zu werden. Nachdem Mark an der medizinischen Fakultät angenommen worden war, erzählte Paul im Krankenhaus voller Stolz, dass sein Sohn in seinen Berufsstand eintreten werde. Jetzt würden sie, so stellte er sich vor, mehr Zeit zusammen verbringen, und er lud Mark zum Lunch ein, weil er hoffte, ihn für die chirurgische Laufbahn gewinnen zu können.
»Das ist dein Leben«, sagte Mark zu ihm, »und es interessiert mich überhaupt nicht. Um ehrlich zu sein, du tust mir Leid.«
Die Worte trafen. Die beiden gerieten in Streit. Mark machte Paul bittere Vorwürfe, Paul wurde wütend, und am Schluss stürmte sein Sohn aus dem Restaurant. Zwei Wochen lang weigerte sich Paul, mit ihm zu sprechen, und Mark machte keinen Versuch, sich mit seinem Vater auszusöhnen. Aus Wochen wurden Monate, dann Jahre. Obwohl Mark eine enge 31
Beziehung zu seiner Mutter aufrechterhielt, vermied er es, nach Hause zu kommen, wenn er wusste, dass sein Vater da war.
Paul reagierte auf die weitere Entfremdung von seinem Sohn in der einzigen Art und Weise, die er kannte. Sein Arbeitspensum blieb das gleiche, er lief weiterhin seine fünf Meilen am Tag, und morgens las er den Finanzteil in der Zeitung. Aber er sah die Traurigkeit in Marthas Augen, und es gab Momente, in denen er überlegte, wie er den Bruch mit seinem Sohn heilen konnte. Er hätte gern zum Telefonhörer gegriffen und ihn angerufen, aber er konnte sich nie dazu durchringen. Mark, so hatte er von Martha erfahren, kam auch ohne ihn gut zurecht. Statt eine Ausbildung zum Chirurgen zu machen, wurde er praktischer Arzt, und nach einer Spezialausbildung, die ein paar Monate dauerte, ging er mit einer internationalen Hilfsorganisation ins Ausland. Einerseits war das eine edle Entscheidung, andererseits, dachte Paul unwillkürlich, hatte Mark vielleicht diesen Entschluss gefasst, um so weit fort von seinem Vater wie möglich zu sein.
Zwei Wochen, nachdem Mark abgereist war, reichte Martha die Scheidung ein.
Wenn ihn Marks Worte damals wütend gemacht hatten, so war er bei Marthas Worten wie betäubt. Paul versuchte, sie davon abzubringen, doch Martha unterbrach ihn sanft.
»Meinst du denn wirklich, du wirst mich vermissen?«, sagte sie. »Wir kennen uns doch kaum noch.«
»Ich kann mich ändern«, versprach Paul.
Martha lächelte. »Das weiß ich. Und ich glaube, du solltest dich auch ändern. Aber du solltest dich ändern, weil du es willst, und nicht, weil du glaubst, dass ich es will.«
Die nächsten zwei Wochen verbrachte Paul in einem Zustand der Benommenheit. Und einen Monat später geschah es, dass die zweiundsechzig Jahre alte Jill Torrelson aus Rodanthe, North Carolina, nach einer routinemäßigen Operation, die Paul an ihr vorgenommen hatte, im 32
Aufwachzimmer starb.
Dieses schreckliche Ereignis, das so unmittelbar auf die anderen folgte, hatte ihn, so begriff Paul, auf den Weg geführt, den er jetzt einschlug.
Nachdem er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, stieg Paul ins Auto und fuhr wieder auf den Highway. Nach einer Dreiviertelstunde erreichte er Morehead City. Er fuhr über die Brücke nach Beaufort und folgte den Wegweisern Richtung Down East und zum Cedar Point.
Der flache Küstenstreifen war von einer friedlichen Schönheit, und Paul fuhr langsamer, damit er den Anblick auf sich wirken lassen konnte. Das Leben war hier anders. Paul fuhr weiter und staunte über die Menschen in den entgegenkommenden Autos. Sie winkten. Und eine Gruppe älterer Männer, die auf der Bank vor einer Tankstelle saßen, hatte anscheinend nichts Besseres zu tun, als den vorüberfahrenden Autos nachzusehen.
Am Nachmittag nahm Paul die Fähre nach Ocracoke, einer Ortschaft am südlichen Ende der Outer Banks. Es waren nur vier weitere Autos auf der Fähre, und während der zweistündigen Fahrt unterhielt er sich mit einigen der anderen Passagiere. Er verbrachte die Nacht in einem Motel in Ocracoke und wachte auf, als sich der weiße Lichtball der Sonne über dem Wasser erhob. Er frühstückte bald und hatte dann noch Zeit, durch die ländlich wirkende Ortschaft zu wandern und zuzusehen, wie die Leute ihre
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