Das Lächeln der Sterne
Als sie wieder in die Küche kam, wartete Paul schon im Mantel auf sie.
»Sind Sie so weit?«, fragte er.
Sie stellte den Kragen ihrer Jacke hoch. »Gehen wir. Aber ich muss Sie warnen, ich schätze die Kälte nicht besonders. Mein südliches Blut ist ein bisschen dünn.«
»Wir bleiben nicht lange draußen. Versprochen.«
Paul lächelte, als er zur Tür hinaustrat, und Adrienne schaltete die Außenbeleuchtung an, so dass die Stufen gut zu sehen waren. Sie gingen nebeneinander durch die niedrigen Dünen bis zu dem festen Sand unten beim Wasser.
Es war ein ungewöhnlich schöner Abend. Die Luft mit dem salzigen Aroma war klar und frisch. Am Horizont flackerten in regelmäßigen Abständen Blitze und beleuchteten die Wolken. Adrienne sah wie gebannt dorthin und bemerkte, dass auch Pauls Blick in diese Richtung ging.
»Haben Sie so etwas schon einmal gesehen? Ich meine solche Blitze?«, fragte er.
»Im Winter nicht. Im Sommer gibt es so etwas manchmal.«
»Es liegt daran, dass die Wetterfronten aufeinander prallen. Als wir beim Abendessen waren, fing es schon an, und ich könnte mir vorstellen, dass der Sturm schlimmer wird als vorhergesagt.«
»Hoffentlich haben Sie Unrecht.«
»Das kann natürlich sein.«
»Aber Sie glauben es nicht.«
Er zuckte mit den Schultern. »Sagen wir einfach: Hätte ich gewusst, dass ein schwerer Sturm kommt, hätte ich versucht, meine Reise zu verlegen.«
»Warum?«
»Ich mag keine großen Unwetter. Erinnern Sie sich an den Hurrikan Hazel? Das war 1954.«
»Sicher, aber damals war ich noch ziemlich jung. Ich fand es eher aufregend als bedrohlich, als im Haus der Strom ausfiel. Und Rocky Mount war nicht so stark betroffen. Oder wenigstens nicht der Teil des Ortes, wo wir wohnten.«
»Da hatten Sie Glück. Ich war damals einundzwanzig und Student an der Duke University. Als wir hörten, dass ein Sturm angesagt war, kamen ein paar Typen vom Geländelaufteam auf die Idee, dass es eine gute Erfahrung für den Teamgeist wäre, wenn wir zum Wrightsville Beach fahren und eine Hurrikanparty feiern würden. Ich wollte nicht mitmachen, aber da ich Captain war, bin ich aus reinem Pflichtgefühl mitgefahren.«
»Ist der Sturm nicht dort am stärksten gewesen?«
»Nicht genau da, aber ziemlich in der Nähe. Als wir ankamen, hatten die meisten Menschen die Insel verlassen, aber wir waren jung und dumm und fuhren trotzdem hin. Anfangs machte es noch irgendwie Spaß. Wir haben uns abwechselnd in den Wind gelehnt und versucht, das Gleichgewicht zu halten. Wir fanden das ganz toll und verstanden gar nicht, warum alle anderen so ein Theater machten. Nach ein paar Stunden stürmte es so heftig, dass wir keine Spiele mehr machen konnten, und es regnete in Strömen, so dass wir beschlossen, wieder nach Durham zu fahren. Aber wir kamen nicht mehr von der Insel fort. Die Brücken waren geschlossen worden, als der Sturm eine Geschwindigkeit von fünfzig Meilen in der Stunde erreicht hatte, und wir saßen fest. Das Unwetter wurde immer schlimmer. Um zwei Uhr mittags stürzten Bäume um, Dächer wurden weggerissen, und wohin man blickte, flogen Gegenstände durch die Luft, die uns hätten erschlagen können. Und es war unglaublich laut, man kann sich gar nicht vorstellen, wie laut. Der Regen trommelte auf das Autodach, und die Sturmböen rüttelten und schüttelten den Wagen. Es war Flut und dazu Vollmond, und die Wellen, die an Land krachten, waren die größten, die ich je gesehen hatte. Zum Glück waren wir weit genug vom Strand entfernt, aber wir sahen, wie im Laufe der Nacht vier Häuser vom Meer weggerissen wurden. Und als wir glaubten, dass es nicht mehr schlimmer werden könnte, rissen die Stromkabel. Wir sahen, wie ein Transformator nach dem anderen explodierte. Ein Kabel landete sogar direkt neben unserem Auto. Es wurde die ganze Nacht vom Wind hin und hergepeitscht. Manche von uns beteten, aber sonst sprachen wir die ganze Nacht über kein Wort. Es war das Dümmste, was ich je gemacht habe.« Adrienne hatte nicht einen Moment, während er sprach, den Blick von ihm gewandt.
»Sie hatten Glück, dass Sie überlebt haben.«
»Ich weiß.«
Am Strand entstand durch die gewaltigen Wellen ein Schaum, der wie die Seifenblasen in der Badewanne eines Riesen aussah.
»Ich habe noch nie jemandem diese Geschichte erzählt«, sagte Paul. »Wirklich niemandem.«
»Warum nicht?«
»Weil es… weil sie so untypisch für mich ist! Ich hatte nie zuvor etwas derart Riskantes getan, und danach auch nicht
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