Das Lächeln der Sterne
mehr. Es ist fast so, als wäre das Ganze einem anderen passiert. Sie müssten mich besser kennen, um das zu verstehen. Ich gehörte eher zu denen, die am Freitagabend nicht ausgehen wollten, weil sie ihr Lernpensum noch nicht erledigt hatten.«
Adrienne lachte. »Das glaube ich nicht.«
»Es stimmt aber. Ich habe fast immer gearbeitet.«
Während sie auf dem festen Sand weitergingen, blickte Adrienne zu den Häusern jenseits der Dünen hinüber. Es waren keine anderen Lichter zu sehen, und Rodanthe kam ihr wie eine Geisterstadt vor.
»Darf ich Ihnen etwas sagen?«, fragte sie. »Ich meine, ich möchte nicht, dass Sie mich missverstehen.«
»Ich geb mir Mühe.«
Sie gingen ein paar Schritte weiter, während Adrienne nach den richtigen Worten suchte.
»Also… wenn Sie von sich sprechen, dann ist es fast so, als würden Sie von jemand anderem erzählen. Sie sagen, dass Sie zu viel gearbeitet haben, aber solche Leute verkaufen nicht ihre Praxis und gehen nach Ecuador. Sie sagen, Sie haben keine verrückten Sachen gemacht, aber dann erzählen Sie mir eine Geschichte, in der Sie doch etwas Verrücktes gemacht haben.
Irgendwie verstehe ich das nicht ganz.«
Paul zögerte. Er war nicht verpflichtet, irgendjemandem eine Erklärung zu geben, aber in dem Moment, an diesem kalten Januarabend unter dem flackernden Himmel, wollte er mit einem Mal, dass sie ihn kannte – ihn in all seiner Widersprüchlichkeit kannte.
»Sie haben Recht«, fing er an, »ich spreche auch von zwei Menschen. Früher war ich Paul Flanner, der unermüdlich arbeitende Kerl, der es zum Chirurgen gebracht hat. Der immer nur arbeitete. Und Paul Flanner, der Ehemann und Vater, Besitzer eines großen Hauses in Raleigh. Aber jetzt bin ich all dies nicht mehr. Jetzt versuche ich herauszufinden, wer dieser Paul Flanner in Wahrheit ist, und wenn ich ehrlich sein soll, so beginne ich daran zu zweifeln, dass ich die Antwort je finden werde.«
»Ich glaube, jeder hat mal dieses Gefühl. Aber nicht viele Menschen würden sich deshalb aufgefordert fühlen, nach Ecuador zu gehen.«
»Glauben Sie, dass ich deshalb dorthin will?«
Sie gingen eine Weile schweigend weiter, bevor Adrienne Paul ansah.
»Nein«, sagte sie. »Ich glaube, Sie wollen dorthin, weil Sie Ihren Sohn kennen lernen möchten.«
Sie registrierte seinen überraschten Gesichtsausdruck.
»Es war nicht schwer, darauf zu kommen«, sagte sie. »Sie haben ihn den ganzen Abend über kaum erwähnt. Aber wenn Sie glauben, dass Ihre Reise hilfreich ist, dann bin ich froh, dass Sie es tun.«
Paul lächelte. »Sie sind die Erste, die das denkt. Selbst Mark war nicht allzu begeistert, als ich ihm von meinem Plan erzählte.«
»Er wird sich damit abfinden.«
»Meinen Sie?«
»Ich hoffe es. Jedenfalls sage ich mir das immer, wenn ich mit meinen Kindern Ärger habe und mich um eine Versöhnung bemühe.«
Paul lachte kurz auf und deutete über seine Schulter zurück.
»Möchten Sie umkehren?«, fragte er.
»Ich hatte gehofft, dass Sie das vorschlagen würden. Meine Ohren werden kalt.«
Sie gingen neben ihren eigenen Fußspuren her zurück. Der Mond war zwar nicht sichtbar, doch die Wolken davor schimmerten silbern. Ganz weit entfernt hörten sie das erste Grollen des Donners.
»Was für ein Mensch war Ihr Ex-Mann?«
»Jack?« Adrienne zögerte und überlegte, ob sie dem Thema ausweichen sollte, doch dann fand sie, es sei nicht nötig. Wem sollte er es schon weitererzählen? »Ganz anders als Sie«, sagte sie schließlich. »Jack glaubt, dass er sich längst gefunden hat. Zufälligerweise hing es mit einer anderen Frau zusammen, während wir noch verheiratet waren.«
»Das tut mir Leid.«
»Mir auch. Vielmehr, es tat mir Leid. Jetzt gehört es der Vergangenheit an. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken.« Paul musste an die Tränen denken, die er am Nachmittag in ihren Augen gesehen hatte. »Gelingt Ihnen das immer?«
»Nein, aber ich gebe mir Mühe. Na ja, was soll ich auch sonst tun?«
»Sie könnten auch nach Ecuador gehen.«
Adrienne verdrehte die Augen. »Ja, das wäre wirklich schön. Wenn ich nach Hause komme, sage ich einfach: Tut mir Leid, Kinder, jetzt müsst ihr sehen, wie ihr zurechtkommt. Mom ist für eine Weile verreist.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, für die nächste Zeit sitze ich ziemlich fest. Wenigstens so lange, bis sie aufs College gehen. Im Moment brauchen sie so viel Stabilität wie möglich.«
»Das hört sich an, als wären Sie eine gute Mutter.«
»Ich
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