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Das Lächeln der Sterne

Das Lächeln der Sterne

Titel: Das Lächeln der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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Scheibe. Sie hielt inne und hatte das Gefühl, als sähe sie sich mit fremden Augen.
    Wie lange war es her, dass jemand, den sie eben erst kennen gelernt hatte, sie hatte küssen wollen? Hätte jemand sie vor ihrer Fahrt hierher danach gefragt, hätte sie geantwortet: Seit ich mit Jack zusammen war, niemand. Jack war ihr Ehemann, und zu den achtzehn Ehejahren kamen noch die zwei Jahre, die sie zusammen gewesen waren, bevor sie heirateten, sodass es schon fast dreiundzwanzig Jahre her war, dass Adrienne von einem Fremden umworben wurde.
    Hätte Jack sie nicht verlassen, hätte sie mit diesem Wissen gelebt und sich nicht weiter daran gestört. Doch jetzt, in diesem Moment, berührte es sie sehr. Über die Hälfte ihres Lebens war verstrichen, ohne dass ein attraktiver Mann Interesse an ihr gefunden hätte. Und auch wenn sie sich einredete, dass sie sich aus Vernunftgründen so abweisend verhalten hatte, musste sie doch zugeben, dass die dreiundzwanzig Jahre ohne Übung dabei durchaus eine Rolle gespielt hatten.
    Sie fand Paul anziehend, das konnte sie nicht leugnen. Er sah gut aus und war interessant, und er hatte einen ganz speziellen Charme. Außerdem gab er ihr das Gefühl, begehrenswert zu sein. Aber das war es nicht allein, was sie anzog, sondern es war vor allem sein aufrichtiger Wunsch, sich zu verändern und ein besserer Mensch zu werden. Adrienne hatte schon früher Menschen kennen gelernt, die so ähnlich waren wie er, denn auch unter Anwälten gab es Workaholics, genau wie bei Ärzten. Aber noch nie war sie jemandem begegnet, der den Entschluss gefasst hatte, sein Leben so radikal zu verändern, und der seine Entscheidung dann mit einer Zielstrebigkeit und Konsequenz umsetzte, wie es für die meisten Menschen beängstigend und unvorstellbar war.
    Darin lag etwas Edles, fand Adrienne. Paul wollte den Unzulänglichkeiten, die er bei sich erkannte, entgegenwirken, er wollte eine Beziehung zu seinem entfremdeten Sohn aufbauen, und er war hierher gekommen, weil ein Fremder, der Wiedergutmachung von ihm verlangte, sich ein Treffen mit ihm gewünscht hatte.
    Was war das für ein Mensch, der so etwas tat? Welche Stärke musste er haben? Welchen Mut? Mehr, als sie selbst aufzubringen imstande wäre. Mehr als andere Menschen, die sie kannte, aufbringen würden. Und es schmeichelte ihr sehr – auch wenn sie es gern geleugnet hätte –, dass ein solcher Mensch sie attraktiv fand.
    Während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, nahm sie die beiden letzten Beutel mit Eiswürfeln und eine Styropor-Kühlbox und trug die Dinge zur Kasse. Sie bezahlte und ging hinaus zum Auto. Einer der alten Männer stand noch immer vor dem Geschäft, und als sie ihm zunickte, machte sie ein Gesicht wie jemand, der am selben Tag bei einer Hochzeit und einer Beerdigung gewesen war.
    Während ihrer kurzen Abwesenheit war der Himmel noch dunkler geworden, und als sie aus dem Wagen stieg, zerrte der Wind an ihr. Er pfiff um die Pension und klang ganz unheimlich, so, als würde auf einer Gespensterflöte ein einzelner Ton geblasen. Die Wolken wirbelten umher, ballten sich zusammen und zogen aufgetürmt dahin. Das Meer war übersät von weißen Schaumkronen, und die Wellen stiegen weit über die Flutmarke des Vortages.
    Als Adrienne das Eis aus dem Wagen holte, sah sie Paul durch das Tor kommen.
    »Haben Sie ohne mich angefangen?«, rief sie ihm zu.
    »Nein, das nicht. Ich habe mich nur vergewissert, ob wir alles finden.« Er deutete auf ihre Einkäufe. »Brauchen Sie Hilfe?«
    Adrienne schüttelte den Kopf. »Es geht schon. Es ist nicht schwer.« Sie ging auf das Haus zu. »Ich fange drinnen an. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich in Ihrem Zimmer die Fensterläden schließe?«
    »Nein, natürlich nicht, machen Sie nur.«
    Adrienne stellte die Kühlbox neben dem Kühlschrank ab, schlitzte die Beutel mit den Eiswürfeln auf und schüttete sie in die Box. Sie nahm ein Stück Käse, das Obst, das vom Frühstück übrig geblieben war, und die Hühnchenreste vom Abend zuvor aus dem Kühlschrank und legte alles zwischen die Eiswürfel. Kein Festmahl, dachte sie, aber doch ganz gut, wenn es nichts anderes mehr gibt. Als sie feststellte, dass noch Platz war, legte sie eine von den Weinflaschen obenauf. Ein verbotenes Prickeln durchrieselte sie bei dem Gedanken, dass sie den Wein irgendwann später mit Paul trinken würde.
    Sie verdrängte das Gefühl und machte sich daran, im Erdgeschoss die Fensterläden von innen zu verriegeln und alle Fenster fest

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