Das Lächeln der Sterne
Raum gab, weil er glaubte, sie brauche und wolle es so. Doch sie erkannte immer deutlicher, dass sie nichts weniger im Sinn hatte, als ihn auf Distanz zu halten.
Alles an ihm erregte in ihr ein Verlangen nach etwas, das sie bisher nicht gekannt hatte: seine Art, auch schwere Arbeit ganz leicht erscheinen zu lassen, die kraftvollen Beine in den Jeans, seine Augen, die immer das spiegelten, was er gerade dachte oder fühlte. Während sie im strömenden Regen in seiner Nähe stand, spürte sie die Anziehung des Menschen, der er war, und des Menschen, der sie sein wollte.
Als er fertig war, waren seine Jacke und sein Sweatshirt vom Regen durchweicht, und sein Gesicht war von der Kälte gerötet. Nachdem er die Leiter und die Werkzeuge unter der Veranda in Sicherheit gebracht hatte, kam er die Stufen herauf. Adrienne wartete auf ihn. Sie hatte sich die Haare aus dem Gesicht gestrichen. Die kleinen Locken waren verschwunden, ebenso jede Spur von Make-up. An dessen Stelle war ihre natürliche Schönheit getreten, und trotz der schweren Jacke, die sie trug, erahnte Paul den warmen, weiblichen Körper darunter.
In dem Moment entfesselte der Sturm seine ganze Kraft. Ein langer, gezackter Blitz verband Himmel und Meer, und der Donner krachte, als hätte es irgendwo eine große Explosion gegeben. Der Wind toste und bog die Äste der Bäume mit Macht. Der Regen kam schräg von der Seite, als wollte er der Schwerkraft trotzen.
Einen Moment lang sahen Adrienne und Paul dem Naturschauspiel einfach zu. Doch dann schienen sie beide zu spüren, dass sie alles, was als Nächstes geschehen konnte, zulassen mussten. Sie drehten sich um und traten wortlos ins Haus.
ZWÖLF
Nass und durchgefroren, wie sie waren, gingen sie in ihre Zimmer. Paul stieg aus seinen Kleidern, drehte den Hahn in der Dusche auf, doch erst, als der Dampf hinter dem Vorhang hervorquoll, stellte er sich unter den heißen Strahl. Es dauerte eine Weile, bis sein Körper sich aufgewärmt hatte, und obwohl er besonders lange unter der Dusche verweilte und sich mit dem Anziehen Zeit ließ, war Adrienne noch nicht wieder aufgetaucht, als er nach unten kam.
Wegen der geschlossenen Fensterläden war es im Haus dunkel. Paul schaltete im Wohnzimmer das Licht an, bevor er in die Küche ging, um sich eine Tasse Kaffee zu machen. Der Regen prasselte heftig gegen die Sturmfenster, der Widerhall ließ das ganze Haus vibrieren. Donner, gleichzeitig nah und fern, grollte unablässig und erinnerte an den Lärm auf einem betriebsamen Rangierbahnhof. Paul ging mit dem Kaffee ins Wohnzimmer und trat zum Kamin.
Er öffnete den Schieber, schichtete drei Holzscheite so auf den Rost, dass die Luft dazwischen hindurchströmen konnte, und legte Anmachholz obenauf. Er suchte nach Streichhölzern und fand sie in einem Holzkistchen auf dem Kaminsims. Schwefelgeruch erfüllte die Luft, als Paul das erste Streichholz anzündete.
Das Anmachholz war trocken und fing schnell Feuer, und bald züngelten die Flammen an den Scheiten entlang, so dass sie zu knistern begannen, als würde Papier zusammengeknüllt. Nach wenigen Minuten sandte das brennende Eichenholz behagliche Wärme aus. Paul zog den Schaukelstuhl näher ans Feuer und streckte die Füße aus.
Wie angenehm, dachte er, aber irgendetwas stimmt noch nicht. Er stand auf, ging zum Lichtschalter und löschte das Licht.
Er lächelte. So ist es besser, dachte er. Viel besser.
Adrienne ließ sich Zeit. Sie hatte beschlossen, Jeans Rat zu befolgen und ein Bad zu nehmen. Als sie den Hahn zudrehte und in die Badewanne stieg, hörte sie das Wasser durch die Rohre laufen und wusste, dass Paul oben unter der Dusche stand. In dieser Vorstellung lag etwas Sinnliches, und Adrienne erschauderte mit einem wohligen Gefühl.
Noch vor zwei Tagen wäre eine solche Empfindung für sie undenkbar gewesen. Allein die Vorstellung, dass sie solche Gefühle entwickeln könnte, und dann noch für jemanden, den sie eben erst kennen gelernt hatte, wäre ihr nicht möglich gewesen. In ihrem Leben war für so etwas kein Platz, wenigstens nicht in letzter Zeit. Nichts war leichter, als alles auf die Kinder zu schieben oder sich zu sagen, dass ihre Verpflichtungen sie daran hinderten, so etwas zu erleben, doch es entsprach nicht ganz der Wahrheit. Es hatte auch mit ihr selbst zu tun, mit der Person, zu der sie seit ihrer Scheidung geworden war.
Ja, sie fühlte sich von Jack betrogen, und sie war wütend auf ihn – das verstand jeder. Aber wenn man wegen einer
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