Das Lächeln der Sterne
anderes. Sein Blick hatte nämlich auch von Begierde gesprochen, und das machte ihr noch mehr Angst, als zu wissen, dass er sie liebte. Körperliche Liebe, so hatte sie immer geglaubt, war mehr als nur eine angenehme Begegnung zweier Menschen – sie umfasste alles, was ein Paar miteinander teilte: Vertrauen und Verbundenheit, Hoffnungen und Träume, ein Versprechen, die Zukunft gemeinsam zu bestehen, was immer sie bringen mochte. Adrienne hatte nie verstanden, wie Menschen sich für eine Nacht treffen oder alle paar Monate eine neue Liebschaft anfangen konnten. Das machte aus dem Liebesakt etwas Belangloses, als wäre körperliche Liebe nicht mehr als ein Abschiedskuss vor der Haustür.
Adrienne wusste, dass sich alles verändern würde, wenn sie ihrem Verlangen nachgab. Sie würde eine Schwelle, die ihr Verstand errichtet hatte, überqueren, und von dort gäbe es kein Zurück. Wenn sie sich der körperlichen Liebe mit Paul hingab, bedeutete das, dass sie für den Rest ihres Lebens verbunden wären, und sie bezweifelte, ob sie dazu bereit war.
Außerdem wusste sie nicht, ob sie es überhaupt konnte. Jack war der einzige Mann, mit dem sie je körperlich zusammen gewesen war. Und nicht nur das, er war achtzehn Jahre lang auch der einzige Mann gewesen, mit dem sie körperlich zusammen sein wollte. Die Aussicht, etwas Ähnliches mit einem anderen Mann zu erleben, machte ihr Angst. Körperliche Liebe war ein sanfter Tanz des Gebens und Nehmens, und der Gedanke, dass sie Paul enttäuschen könnte, reichte schon beinahe aus, dem Ganzen auf der Stelle ein Ende zu bereiten.
Aber sie konnte sich nicht halten. Jetzt nicht mehr. Nicht, nachdem er sie so angesehen hatte, nicht bei den Gefühlen, die sie für ihn empfand.
Ihr Hals war trocken, und ihre Beine zitterten, als sie aufstand. Paul hockte noch immer vor dem Kamin. Adrienne trat zu ihm und legte ihre Hand auf die weiche Einbuchtung zwischen seinem Hals und den Schultern. Pauls Muskeln spannten sich einen Moment lang an, doch als er den Atem ausstieß, entspannten sie sich wieder. Er drehte sich um und sah zu ihr auf, und in diesem Augenblick spürte sie, wie ihr Widerstand endgültig zerbrach.
Es fühlte sich gut an. Er fühlte sich gut an, und sie wusste, dass sie zulassen durfte, was jetzt unweigerlich geschehen würde.
Blitze durchzuckten den Himmel. Wind und Regen hämmerten gegen die Mauern. Im Zimmer wurde es wärmer, denn die Flammen loderten mittlerweile recht hoch.
Paul stand auf. Mit zärtlichem Gesichtsausdruck nahm er Adriennes Hand. Sie erwartete, dass er sie küssen würde, doch das tat er nicht. Statt dessen presste er ihre Hand an seine Wange, und dabei schloss er die Augen, als wollte er die Berührung auf seiner Haut für immer in sein Gedächtnis eingraben.
Paul küsste ihren Handrücken, bevor er die Hand losließ. Dann öffnete er die Augen, neigte den Kopf und zog Adrienne an sich. Seine Lippen streiften in Schmetterlingsküssen an ihrer Wange entlang und fanden schließlich ihre Lippen.
Als er die Arme um sie schloss, lehnte sie sich an ihn. Sie spürte, wie sich ihre Brüste an seine Rippen pressten, sie fühlte seine raue Wange, als er sie zum zweiten Mal küsste.
Er fuhr ihr mit der Hand über den Rücken, und sie öffnete die Lippen und spürte seine feuchte Zunge. Er küsste ihren Hals, ihre Wange, und als seine Hand über ihren Bauch streichelte, war die Berührung wie ein leichter Stromschlag. Ihr stockte der Atem, weil seine Hände auch ihre Brüste berührten, und sie küssten sich immer wieder, während die Welt um sie herum langsam zu zerfließen begann.
Sie hatten den entscheidenden Schritt getan, sie beide, und während sie noch näher aneinander rückten und sich fest umschlungen hielten, schien es gleichzeitig, als wollten sie die schmerzlichen Erinnerungen an die Vergangenheit bannen.
Paul vergrub seine Hände in Adriennes Haar. Sie legte ihren Kopf an seine Brust und hörte seinen Herzschlag, der so schnell ging wie ihrer.
Und als sie sich endlich voneinander lösten, griff sie nach seiner Hand.
Sie machte einen kleinen Schritt zurück und zog ihn dann sanft zur Treppe und in das Zimmer im ersten Stock.
DREIZEHN
Amanda saß in der Küche und sah ihre Mutter unverwandt an.
Seit Adrienne mit ihrer Erzählung begonnen hatte, hatte sie kein Wort gesagt und nur zwei Gläser Wein getrunken, das zweite ein wenig hastiger als das erste. Jetzt schwiegen beide, und Adrienne spürte, dass Amanda gespannt auf die Fortsetzung
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