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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Zeuge aussagte, der Folter unterworfen werden
mußte. Die freiwillige Aussage eines Sklaven war
unzulässig; nur die Folter war ein zuverlässiges Siegel
der Glaubwürdigkeit. Was könnte sie erwarten? Ich stellte
mir den korpulenten Chrestus nackt an Ketten hängend vor, den
Hintern von glühenden Eisen verbrannt; den hageren Felix an
einen Stuhl gefesselt, die Hand in einem Schraubstock.
    »Und
danach«, sagte ich, um das Thema zu wechseln, »hast du
dem Sohn deines Herrn in Ameria gedient?«
    »Nicht
sofort«, erklärte Felix. »Und dem jungen Sextus
Roscius haben wir auch nie gedient. Wir sind im Haus am Circus
Flaminius geblieben, haben unerledigte Dinge geregelt und dem
Verwalter geholfen. Wir sind nicht einmal nach Ameria gereist, um
an den Beerdigungsfeierlichkeiten für unseren Herrn
teilzunehmen. Und dann stand eines Tages Magnus vor der Tür
und behauptete, das Haus würde ihm gehören und wir auch.
Es stand alles in den Papieren, die er bei sich hatte; was sollten
wir machen?«
    »Das war in der
Zeit, als das kalte Wetter begann«, sagte Chrestus,
»aber so wie sich Magnus aufführte, hätte man
meinen können, wir hätten Hochsommer gehabt. Oh, unser
alter Herr hat gut gelebt und sein Vergnügen gehabt, da gibt
es kein Vertun, aber er wußte, daß jedes Laster seinen
Ort hatte - Trinkgelage gehörten in eine Taverne,
Päderastie in die Bäder, Hurerei ins Bordell und nicht
ins Haus, und jede Feier hat einen Anfang und ein Ende. Aber bei
Magnus war es eine einzige riesige Orgie, unterbrochen von
gelegentlichen Raufereien. Das Haus hat nach Gladiatoren und
Schlägern gestunken, und an manchen Abenden hat er sogar
Eintritt verlangt. Es war erschütternd, wie die Leute, die im
Haus ein und aus gingen, das Andenken unseres Herrn entweiht
haben.«
    »Und dann kam
das Feuer«, sagte Felix verdrießlich. »Na, was
will man in einem Haus, das sich derart dem Trunk und der
Verwahrlosung hingibt, erwarten? Es brach in der Küche aus und
sprang schnell auf das Dach über. Magnus war so betrunken,
daß er kaum aufrecht stehen konnte; er betrachtete die
Flammen und lachte laut - ich hab gesehen, wie er regelrecht vor
Lachen umfiel. Womit ich nicht sagen will, daß er ein
freundlicher Mensch ist. Er hat uns immer wieder ins brennende Haus
zurückgeschickt, um Wertsachen rauszuholen, und gedroht, uns
zu schlagen, als wir zurückschraken. Zwei Sklaven sind auf
diese Weise ums Leben gekommen, eingesperrt in den Flammen, weil
Magnus sie losgeschickt hatte, seine Lieblingssandalen zu holen.
Das gibt dir eine Vorstellung davon, wie sehr wir ihn alle
gefürchtet haben, daß wir eher bereit waren, uns den
Flammen auszusetzen als seinem Zorn. Ich vermute, das Leben unter
Sextus Roscius hatte uns alle verwöhnt.«
    »Und
dann«, sagte Chrestus und kam ein wenig näher,
»wurden wir alle auf Wagen verladen und nach Ameria
hochgekarrt, in die tiefste Provinz, und landeten in diesem
riesigen Haus als Bedienstete von Capito und seiner Frau. Aus dem
Regen in die Traufe, wie man so sagt. Man konnte kaum eine Nacht
durchschlafen, weil sie sich ständig anbrüllten. Ich sage
dir, diese Frau ist verrückt. Nicht exzentrisch - Caecilia
Metella ist exzentrisch -, sondern total verrückt. Einmal
hatte sie mich mitten in der Nacht rufen lassen, damit ich die
Haare in ihrer Bürste zähle und die grauen von den
schwarzen trenne. Sie wollte Buch führen über jedes Haar,
das sie verlor! Und natürlich mußte es immer mitten in
der Nacht sein, wenn Capito in seinem Zimmer schlief und sie allein
vor dem Spiegel saß und in ihr Gesicht starrte. Ich dachte,
als nächstes würde sie mich ihre Falten zählen
lassen.«
    Er machte eine kurze
Pause, und ich glaubte, er wäre fertig, aber er kam erst
richtig in Fahrt. »Und das Merkwürdigste war, daß
Sextus Roscius ständig auftauchte, der Sohn des Herrn. Ich
hatte geglaubt, er müsse auch tot sein, weil wir sonst seine
Sklaven geworden wären; aber dann dachte ich, daß er uns
und das Land wohl verkauft haben mußte. Aber das war auch
unwahrscheinlich, weil er doch praktisch wie ein Gefangener oder
Bettler in dieser beengten Hütte auf dem Anwesen wohnte. Und
dann haben wir von anderen Sklaven schließlich Gerüchte
über diese angebliche Proskription gehört, was
überhaupt keinen Sinn ergab. Ich dachte, die ganze Welt
wäre so verrückt geworden wie Capitos Frau.
    Und das Seltsamste
war, wie Sextus Roscius sich benahm. Zugegeben, der Mann kannte uns
kaum, weil er bei den wenigen Anlässen, zu denen

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