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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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als wir gerade aufbrechen
wollten, führten sie Elena nach draußen.
    Sie war so schwach,
daß sie kaum stehen konnte. Dünn und ausgezehrt, mit
teigiger und schweißnasser Haut - sie mußte nur wenige
Stunden zuvor geboren haben. Auf dem Karren gab es keinen Platz, wo
sie sich hinsetzen oder -legen konnte; wir haben ihr, so gut wir
konnten, aus Kleidern ein Lager zwischen den Kisten bereitet. Sie
war völlig ausgelaugt und fieberte, sie wußte kaum, wie
ihr geschah, aber sie fragte ständig nach dem Baby.
    Schließlich kam
die Hebamme aus dem Haus gerannt. Sie war völlig außer
Atem, in Tränen aufgelöst und hysterisch. >Um der
Götter willen<, flüsterte ich ihr zu, >wo ist das
Kind?< Sie starrte Elena an. Aber Elena war kaum bei
Bewußtsein; sie lehnte gegen Felix’ Schulter, murmelte
vor sich hin, zitterte, und ihre Lider flatterten. >Ein
Junge<, flüsterte die Hebamme, >es war ein
Junge.<
    >Ja, ja<, sagte
ich, >aber wo ist er? Wir brechen jede Minute auf!< Du kannst
dir vielleicht vorstellen, wie verwirrt und wütend ich war.
Ich fragte mich, wie wir es je schaffen sollten, uns um eine
geschwächte Mutter und ihr neugeborenes Kind zu kümmern.
>Tot<, flüsterte die Hebamme, so leise, daß ich
sie kaum verstand. >Ich hab versucht, sie aufzuhalten, aber ich
konnte nicht - er hat mir den Jungen aus den Armen gerissen. Ich
bin ihm bis zum Steinbruch gefolgt und habe beobachtet, wie er das
Kind gegen einen Felsen geschleudert hat.<
    Dann kam der Fahrer
und hinter ihm Capito, der ihn anbrüllte, er solle endlich
losfahren. Capito war kreidebleich. Oh, das ist seltsam! Ich
erinnere mich jetzt plötzlich wieder! Der Fahrer knallte mit
der Peitsche. Die Karre rumpelte los, das Haus wurde kleiner. Alles
klapperte und holperte. Plötzlich war Elena wach und wimmerte
um ihr Baby, zu schwach, um laut zu schreien. Capito starrte uns
hinterher, steif wie eine Säule, mit aschfahlem Gesicht! Und
die Hebamme fiel auf ihre Knie, umklammerte seine Schenkel und
rief: >Gnade, Herr!< Und als wir gerade auf die Straße
einbiegen wollten, kam ein Mann um das Haus gerannt und blieb dann
schwer atmend im Schatten eines Baumes stehen - Sextus Roscius. Das
letzte, was ich gesehen habe, war die Hebamme, die sich an Capito
klammerte und immer lauter rief: >Gnade,
Gnade!<«
    Er atmete zitternd ein
und wandte sein Gesicht zur Wand. Felix legte seine Hand auf
Chrestus’ Schulter und fuhr mit der Erzählung fort.
»Das war eine Reise! Drei - nein, vier Tage - auf einem
rumpelnden Ochsenkarren. Das reicht, um einem die Knochen zu
zerbrechen und den Unterkiefer auszurenken. Wir sind jedes
Stück, das wir zu Fuß gehen konnten, gelaufen, aber
einer von uns mußte immer mit Elena im Wagen bleiben. Sie
konnte nichts essen. Sie konnte nicht schlafen, war jedoch auch nie
richtig wach. Das ersparte es uns zumindest, ihr von dem Baby
erzählen zu müssen. Am dritten Tag begann sie zwischen
den Beinen zu bluten. Der Fahrer konnte bis zum Sonnenuntergang
keinen Halt einlegen. Wir haben dann eine Hebamme aufgetrieben, die
die Blutung stillen konnte, aber Elena war glühend heiß.
Am nächsten Tag ist sie in unseren Armen gestorben, als wir
gerade die Porta Fontinalis sehen konnten.«
    Die Lampe flackerte,
und der Raum wurde düster. Felix bückte sich ruhig, nahm
die Lampe, trug sie zu einer Bank in der Ecke des Raumes und
füllte Öl nach. Im aufflammenden Licht sah ich, wie Tiro
die beiden Sklaven mit großen, feuchten Augen
anstarrte.
    »Dann war es
also Capito, der das Kind getötet hat?« sagte ich ohne
rechte Überzeugung wie ein Schauspieler, der den falschen Text
spricht.
    Felix stand mit fest
aufeinandergepreßten Händen da, die Knöchel
weiß. Chrestus sah blinzelnd zu mir auf wie ein Mann, der
eben aus einem Traum erwacht ist. »Capito?« sagte er
leise. »Vermutlich schon. Ich hab dir doch erzählt,
daß Magnus und Glaucia weit weg in Rom waren. Wer hätte
es sonst sein sollen?«

26
    Chrysogonus’
Haus war groß, aber nicht so weitläufig wie Caecilias
Villa; trotzdem bogen Tiro und ich, als wir uns ohne Aufilias Hilfe
auf die Suche nach der Sklaventreppe machten, irgendwo falsch ab.
Nach einem mißglückten Versuch, zum Ausgangspunkt
zurückzukehren, fanden wir uns auf einer schmalen Galerie
wieder, die auf einen Balkon führte, von wo aus man unser
Versteck bei den Zypressen neben der Tür zur Speisekammer
einsehen konnte.
    Von irgendwo aus dem
Innern des Hauses drang eine trällernde Stimme - entweder ein
Mann, der unnatürlich hoch,

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