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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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ausstößt.«
    Ich berührte
seine Schulter und wollte ihn sanft beiseite schieben, aber er
stand fest wie eine Eisenstange.
    »Der junge und
der alte Sextus Roscius, ich kenne sie beide seit Jahren. Und
laß mich dir eines sagen, egal wie unmöglich es scheint
und worauf alle anderen Beweise auch hindeuten mögen, der Sohn
steckt hinter dem Mord an dem Vater! Wie sie sich gegenseitig
gehaßt haben! Es fing an, als Roscius seine zweite Frau nahm
und einen Sohn von ihr hatte, Gaius, den Sohn, den er bis zu dessen
Tod verwöhnte und verhätschelte. Ich kann mich noch an
den Tag erinnern, an dem er den Säugling mit in diese Taverne
brachte und jedem das hübsche, goldgelockte Ding in den Arm
drückte, denn welcher Vater ist nicht stolz auf einen
neugeborenen Sohn. Und der junge Sextus stand derweil in der
Tür, vergessen, unbeachtet, aufgeblasen, voll Haß wie
eine Kröte. Damals konnte ich noch sehen. Ich weiß nicht
mehr, wie eine Blume aussieht, aber das Gesicht dieses jungen
Mannes sehe ich noch immer vor mir, und den Ausdruck purer Mordlust
in seinen Augen.«
    Ich glaubte
gehört zu haben, daß der Wirt zurückgekommen war,
und sah mich um.
    »Sieh mich
an!« kreischte der alte Mann. »Glaub nicht, ich
wüßte nicht, wann du dich abwendest - ich höre es
an deinem Atem. Sieh mich an, wenn ich mit dir rede! Und höre
die Wahrheit: Der Sohn haßte den Vater, und der Vater
haßte den Sohn. Ich konnte spüren, wie der Haß in
genau diesem Raum wuchs und schwärte, Jahr für Jahr. Ich
hörte die Worte, die nie ausgesprochen wurden - die Worte der
Wut, der Verbitterung, der Rache. Und wer sollte es einem von
beiden verdenken, vor allem dem Vater - einen solchen Sohn zu
haben, einen solchen Versager, eine solche Enttäuschung. Ein
gieriges, kleines Schwein, das ist aus ihm geworden. Gierig und
fett und respektlos. Stell dir den Kummer vor, die Verbitterung!
Ist es ein Wunder, daß mein Enkel nie zu Besuch kommt und
nicht mit seinem Vater reden will? Man sagt, Jupiter verlangt,
daß ein Sohn seinem Vater gehorcht und ein Vater seinem
Vater, aber welche Ordnung kann es geben in einer Welt, in der die
Männer blind oder fett werden wie die Schweine? Die Welt ist
ein Trümmerfeld, verloren und ohne jede Hoffnung auf
Erlösung. Die Welt ist finster ...«
    Ich wich entsetzt
zurück. Im nächsten Moment schob mich der fette Wirt
beiseite, packte den alten Mann bei den Schultern und zerrte ihn
aus dem Weg. Ich trat durch die Tür und sah mich um. Die
milchigen Augen des Alten waren starr auf mich gerichtet. Er
plapperte weiter. Sein Sohn hatte das Gesicht
abgewendet.
    Ich band Vespa los,
stieg auf und ritt, so schnell ich konnte, aus der Stadt und
über die Brücke.

17
    Vespa schien es
genauso eilig zu haben wie ich, das Dorf Narnia hinter sich zu
lassen. Sie muckte nicht auf, als ich sie für den Rest unserer
Tagesreise hart herannahm. Als wir ein wenig nördlich von
Narnia eine Weggabelung erreichten, blieb sie nur widerwillig
stehen.
    An der Gabelung stand
ein öffentlicher Wassertrog. Ich ließ sie langsam
trinken und zügelte sie jedesmal nach einigen Schlucken.
Hinter dem Trog stand ein primitives Schild, ein auf einen Stock
montierter Ziegenschädel. In die ausgebleichte Stirn hatte
jemand einen nach links weisenden Pfeil und das Wort AMERIA
geritzt. Ich verließ die breite Via Flaminia und folgte der
Nebenstraße nach Ameria, einem schmalen Pfad, der sich auf
den Sattel einer steilen Hügelkette wand.
    Wir begannen den
Aufstieg. Auch Vespa wurde jetzt langsam müde, und die
Stöße gegen mein Hinterteil ließen mich mit den
Zähnen knirschen. Ich beugte mich vor und streichelte ihren
Hals. Die letzte Hitze des Tages löste sich nach und nach auf,
und die steile Wand der Hügelkette tauchte uns in kühlen
Schatten.
    Unweit des Gipfels
traf ich auf eine Gruppe von Sklaven, die sich um einen
Ochsenkarren geschart hatten und halfen, ihn auf die Kuppe des
Hügels zu schieben. Das Vehikel schlingerte und schwankte, bis
es schließlich ebenen Boden erreicht hatte. Die Sklaven
stützten sich aufeinander, einige von ihnen lächelten
erleichtert, andere waren zu erschöpft, um irgendwelche
Gefühlsregungen zu zeigen. Ich ritt bis zum Wagenlenker vor
und winkte.
    »Machst du diese
Fahrt oft?« fragte ich.
    Der Junge fuhr
zusammen, als er meine Stimme hörte, und lächelte dann.
»Nur wenn es etwas zum Markt nach Narnia zu bringen gibt. Die
Fahrt diesen Hügel hinunter ist der eigentlich
gefährliche Teil.«
    »Das kann ich
mir

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