Das Lächeln des Cicero
der es geschehen ist, direkt aus dem Herz des Toten
gezogene Dann wurde er wütend. >Glotz mich nicht so an!<
brüllte er. >Ich hab dir doch gesagt, ich war’s
nicht. Ich bin bloß der Bote, der den Verwandten zu Hause die
schlechte Nachricht zu überbringen hat.< Und dann taumelte
er aus der Tür, stieg in seinen Wagen und war verschwunden.
Kann man es mir da übelnehmen, wenn ich sage, ich werde nie
wieder früh aufstehen?«
Ich starrte auf den
Tisch und die Narbe, die die Klinge hinterlassen hatte. Durch die
Art, wie das Licht ins Zimmer fiel, und weil ich sie so angestrengt
betrachtete, schien sie tiefer und dunkler zu werden, je
länger ich hinstarrte. »Dieser Mann kam also, um Sextus
Roscius zu erzählen, daß sein Vater ermordet worden
war?«
»Nicht direkt.
Das heißt, er kam nicht, um es Sextus Roscius zu berichten.
Die Leute erzählen sich, daß Sextus die Neuigkeit erst
irgendwann im Laufe des Nachmittags erfahren hat, als die
Geschichte schon als Dorfklatsch die Runde machte. Ein Nachbar traf
ihn auf der Straße und sprach ihm sein Beileid aus, weil er
natürlich davon ausging, daß Sextus Bescheid
wußte. Am nächsten Tag traf aus Rom ein Bote aus dem
Haus des alten Herrn ein - er hat auch in dieser Taverne Rast
gemacht -, aber zu dem Zeitpunkt war die Neuigkeit ja schon nicht
mehr neu.«
»Wem hat dieser
Glaucia die Nachricht dann überbracht? Seinem früheren
Herrn Magnus?«
»Wenn Magnus
überhaupt in Ameria war. Aber der Bengel verbringt neuerdings
die meiste Zeit in Rom, wo er sich mit den Banden herumtreibt, wie
man hört, und Geschäfte für seinen älteren
Vetter erledigt; ich meine den alten Capito. Dem hat Glaucia
wahrscheinlich Bericht erstatten wollen. Obwohl man nicht annehmen
sollte, daß Capito wegen dem alten Roscius eine Träne
vergießen würde; man kann nicht behaupten, daß die
beiden Zweige der Roscius-Familie sich besonders mögen. Die
Fehde reicht schon Jahre zurück.«
Das blutige Messer,
der mitten in der Nacht losgesandte Bote, die alte Familienfehde;
die Schlußfolgerung schien offensichtlich. Ich wartete
darauf, daß der Wirt sie aussprach, aber er seufzte nur und
schüttelte den Kopf, als wäre er am Ende seiner
Geschichte angekommen.
»Aber«,
sagte ich, »nach allem, was du mir erzählst, kann doch
niemand ernsthaft annehmen, daß Sextus Roscius seinen Vater
getötet hat.«
»Ah, das ist der
Teil, der für mich auch keinen Sinn ergibt. Überhaupt
keinen. Weil jedermann weiß, zumindest hier in der Gegend,
daß der alte Sextus Roscius von Sullas Leuten umgebracht
wurde oder zumindest von einer Bande, die in Sullas Namen gehandelt
hat.«
»Was?«
»Der alte Herr
wurde geächtet. Zum Staatsfeind erklärt. Auf die Listen
gesetzt.«
»Nein. Du
mußt dich irren. Du hast diese Geschichte mit einer anderen
verwechselt.«
»Na ja, es gab
noch ein paar andere aus dieser Gegend, die reguläre
Geschäfte und Häuser in Rom hatten und auf die Listen
gesetzt wurden. Entweder hat es sie den Kopf gekostet, oder sie
sind geflohen. Aber die würde ich bestimmt nicht mit Sextus
Roscius verwechseln. Es ist hier allgemein bekannt, daß der
Mann Opfer der Proskriptionen geworden ist.«
Aber er war doch ein
Anhänger Sullas, wollte ich sagen, hielt mich jedoch im
letzten Moment zurück.
»So ist das nun
mal«, sagte der Wirt. »Ein paar Tage später traf
ein Trupp Soldaten aus Rom ein und machte eine öffentliche
Bekanntmachung, bei der verkündet wurde, daß Sextus
Roscius pater ein Feind des Staates und als solcher in Rom
getötet worden sei. Sein Besitz sollte konfisziert und
versteigert
werden.«
»Aber das Ganze
hat sich im letzten September ereignet. Die Proskriptionen waren
vorbei, und zwar schon seit Monaten.«
»Glaubst du,
daß das auch das Ende von Sullas Feinden war? Was sollte ihn
davon abhalten, einen weiteren aufzuspüren?«
Ich rollte den leeren
Becher zwischen meinen Handflächen hin und her und starrte auf
seinen Grund. »Du hast diese Bekanntmachung wirklich mit
eigenen Ohren gehört?«
»Ja, wenn du es
genau wissen willst. Zuerst haben sie es in Ameria verkündet,
wie man mir erzählt hat, aber dann haben sie das Ganze hier
noch mal wiederholt, weil es Familien gibt, die in beiden
Städten ansässig sind. Wir waren natürlich
schockiert, aber die Kriege haben so viel Bitterkeit und
Zerstörung hinterlassen, daß ich nicht behaupten
könnte, irgend jemand hätte eine Träne wegen des
alten Mannes vergossen.«
»Aber wenn das,
was du sagst, wahr
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